Nikki war mein Schatten – meine Seele – vom ersten Tag an.

Als ich ihn abholte, war es aufgrund eines Missverständnisses schon sehr spät. Von Berlin nach Leverkusen hatte er einen anstrengenden Tag. Als ich ins Zimmer kam, saß ein junger Mann auf dem Boden, aus dessen Hemd in kleines Köpfchen hing. Ein Dolch stach mir durch’s Herz – diese innige Beziehung MEINES Hundes zu einem Fremden – ich gab vollkommen entsetzt von mir: “Ist das Nikki?” Er hob sofort den Kopf, krabbelte aus dem Hemd und zu mir… hätte er das nicht getan, ich weiß nicht, ob ich ihn mitgenommen hätte. Das gleiche Trauma hatte ich als Kind bei meinem ersten Collie erlebt. Ilka war am 29.6. geboren und Ende August abgabereif. Ich verbrachte die Ferien im Jahr des Mauerbaus bei meinen Verwandten in der ehemaligen DDR – wir waren wirklich nicht sicher, ob ich problemlos wieder nach Hause kam. Für mich deshalb eine Tortur, weil ich ja meine Ilka abholen musste. Meine lieben Verwandten hatten alles für mich besorgt, Halsband, Leine, Fährtenleine, Suchgeschirr, alles was man in der DDR für den Hundesport bekommen konnte. Ich fieberte dem Tag entgegen, an dem ich sie in die Arme schließen und mit nach Hause nehmen konnte.

Am Bahnhof jedoch die Katastrophe: Mein Vater erzählte als erstes, er habe es nicht aushalten können, habe sie abgeholt und sie habe die erste Nacht schon bei ihm im Bett geschlafen. Ich kann es nicht anders sagen, dieser Hund war nie mein Herzenshund, um nicht zu sagen, dass ich ihn irgendwie tief in meinem Innersten hasste. Da gibt es ein ganzes Kinderleben lang nur den einen Wunsch des eigenen Hundes und dann das…

Genau das habe ich in dem Moment beim Anblick Nikkis empfunden. Doch für ihn war ich vom ersten Tag an sein Lebensinhalt. Fachleute nannten ihn einen Kontrollfreak, weil er mich sogar aufs Klo begleitete, der Clou war auf dem Hundeplatz, wo er als kleiner Knirps laut “mama” schrie, weil ich ihn angebunden hatte. Wirklich, ein langgezogenes, schreckliches MAMA… meine Hundefreunde lachen heute noch darüber. Er war ein so toller Welpe, ich machte alles mit ihm, was man sich so vorstellen kann und überall überraschte er als dummer Windhund die Fachleute. Er konnte alles auf Anhieb, man brauchte ihm alles nur einmal zu zeigen oder zu sagen. Die Hundeexperten waren fasziniert von ihm. Und er war ein Besserwisser… er schaute beim Agility den anderen Hunden zu. Es fehlte nur noch, dass er den Kopf schüttelte, wenn sie sich an einem Hindernis schwer taten. Passte ich nicht auf, ich brauchte nie eine Leine festzuhalten, er entfernte sich nicht, lief er dann hin und zeigte, wie es geht. Moserte ein Mensch seinen Hund an, lief er hin und bellte – so nicht!!! Nikki sprach aus, was ich dachte. Oftmals sehr peinlich… er zeigte genau, wie ich zu Menschen stand. Einmal hatten meine Freundin und ich eine Missstimmung, die aber nicht ausgesprochen wurde. Nikki grölte wieder mal herum, weil ich mich mit anderen Hunden beschäftigte und sie wollte ihn mit einem Nackenstüber zur Ruhe gemahnen – er schnappte nach ihr! Er kannte sie von Welpe an und mochte sie, aber jetzt so nicht!

HUNDE 197

Ich hätte Nikki in Stücke schneiden können, was musste der arme Kerl alles durchmachen, niemals hätte er sich gegen mich gewehrt, aber wenn es ihm zu sehr gegen den Strich ging, machte er Ernst. Vor allem, wenn sich jemand zwischen uns stellen wollte.

Seine Persönlichkeit war einfach unglaublich. Auch wir hatten unsere Differenzen und immer, wenn ich sagte: Noch einmal, dann klatsche ich dich gegen die Wand… oder ähnlich Nettes… gab es diese Gelegenheit nicht mehr. Ihm war klar, das war ein Schritt zu weit. Auf der anderen Seite gehorchte er wirklich vorbildlich immer, wenn es wichtig war. Auch da verstand er mich ganz genau.

Er verteidigte mich sogar. Ich hatte wieder mal seinen Kong in den Baum geworfen und hangelte mit einem Stock über meinem Kopf herum, als ein Jogger kam, über meinen Kopf hinweg nach dem Kong greifen wollte… ich sehe im Augenwinkel wie Nikki voll den Mann attackiert und konnte gerade noch eingreifen. Ich war so stolz und glücklich, mit ihm an der Seite fühlte ich mich sicher. Wohl wissend, dass ein solches Kleinkaliber nicht viel ausrichtet, aber alleine die Bereitschaft schreckt ab. Irgendwelche Pilzesammler im Gebüsch – nichts entging ihm! Auch zu Hause war er sehr wachsam, aber niemals zu Menschen aggressiv.

Ich hatte ihm von Anfang an ermöglicht mit mir zu kommunizieren. Wir waren so eingespielt, dass er mich rufen konnte, von wo auch immer. Ich wollte, dass mein Hund wenn in irgendwelcher Bedrängnis zuerst zu mir kommt und mich um Hilfe bittet. Das hat er beherrscht bis ins FF. Überfiel ihn nachts ein Hüngerlein, sprang er mit allen Vieren gegen die Tür zum Flur – das weckte mich 1oo%, doch anstatt dringend den Garten aufsuchen zu müssen, sprang er in die Küche… aber wann sollte ich wissen, ob er wirklich raus musste?? Also hopp raus aus den Federn…

Ach, man könnte ein Buch über ihn schreiben. Als er starb war für mich das Thema Hund eigentlich erledigt. So etwas bekomme ich nie wieder… Holger sagte nur: Wie viele willste, zehn??? Aber nein, ich wusste, dass das ein ganz besonderes Verhältnis war. Jeder neue Hund musste eine Enttäuschung sein.

Ich muss auch gestehen, dass nach der doch recht langen schweren Zeit die Tage ohne Nik sehr erholsam waren, trotz der depressiven Stimmung. Als erstes fuhr ich eine Woche in die Schweiz zu einer Hundefreundin, die ich mit Nik nicht besuchen konnte. Reisen ohne Hund ist wirklich angenehm! Endlich wollte ich meine Freundinnen auf Teneriffa, in Dubai, in Südafrika, in Israel besuchen, wieder auf die National in den USA und auf die Crufts fahren, das alles konnte ich Nik nicht antun, da er unter meiner Abwesenheit sehr litt, und als er nicht mehr gesund war, sowieso nicht.

Was soll ich sagen? Das letzte, das mir jetzt in den Sinn kam war reisen… und schließlich entschloss ich mich doch wieder zu einem Hund, aber das ist eine andere Geschichte…