Hier der versprochene Beitrag zu Profender:
Profender®, wie kann so etwas passieren?
von Tierärztin Kirsten Tönnies
Um es vorweg zu sagen: Mit Sicherheit bringt kein Pharmakonzern ein Produkt neu auf den Markt, wenn er vermuten kann, dass er damit eine negative Presse hervorruft, und, anstatt eines kalkulierten Gewinns, böse Anrufe von geschädigten Patienten, bzw. deren Besitzern kassiert. Wenn also etwas schief läuft, dann hat man die Sachlage vorher wahrscheinlich unwissentlich falsch eingeschätzt.
Aber von Anfang an.
Das Produkt Profender® von der Firma Bayer beinhaltet neben dem altbekannten Wirkstoff Praziquantel gegen Bandwürmer den neuen Wirkstoff Emodepsid. Dieses Eiweißmolekül hat keine Verwandtschaft zu den Avermectinen, zu denen auch das bekannte und für Collies gefährliche Ivomec zählt. Es gehört zu einer separaten Wirkstoffgruppe, dabei sei nur am Rande erwähnt, dass Emodepsid dieselben Rezeptoren besetzt wie das Gift der schwarzen Witwe. Außer Bandwürmern tötet es alle Arten von Würmern ab und als Besonderheit tötet es sogar die Larvenstadien der Rundwürmer ab, die durch den Körper wandern. Dazu muss Emodepsid allerdings resorbiert werden und kann seine Wirkung nicht alleine nur im Darm entfalten.
Für Katzen ist dieses Präparat schon seit Oktober 2005 auf dem Markt. Da es für Katzen als einziges Komplettentwurmungsmittel in Form eines spot-on Präparates seit Jahren zugelassen ist, wurde es millionenfach angewendet. Dabei traten zwar vereinzelt Nebenwirkungen wie Speicheln und Erbrechen nach Belecken des Medikamentes und Haarlosigkeit an der Applikationsstelle auf, ansonsten verliefen die Reaktionen bei den Katzen eher harmlos, obwohl es im Internet auch ein paar anders lautende Berichte dazu gibt.
Im Jahr 2008 wurde Profender® dann für kleine Hunde neu auf den Markt gebracht. Das Styling des Produkts als kleine Hundeknochen ist ganz attraktiv gelungen.
Im Jahr 2009 wurde Profender® dann für 30 kg Hunde neu auf den Markt gebracht und in der Folgezeit besonders intensiv in Zeitschriften und über Mitarbeiterschulung von Großhändlern beworben, die bei den Tierärzten dann auch kräftig Werbung für das Produkt machten. Dabei wurde betont, dass das Mittel mindestens vier Stunden vor der Futteraufnahme gegeben werden muss, nur warum das so sein sollte, erklärte niemand. Im Beipackzettel wird noch stringenter darauf eingegangen, und zwar, dass der Hund schon über Nacht kein Futter mehr bekommen haben soll. Dann kommt der Hinweis zu MDR1-Hunden, nämlich dass bereits bei der zweifachen Dosis Nebenwirkungen zu befürchten sind. Das Gefährliche: Durch die gleichzeitige Gabe mit Futter tritt die doppelte Menge Emodepsid aus dem Magen-Darmtrakt ins Blut über, so dass schon durch die Futtergabe alleine die kritische doppelte Dosis überschritten werden kann und dann Nebenwirkungen bei -/- Hunden zu erwarten sind.
Im August 2009 wurde auch über das Telefon Profender® mit Preisnachlässen intensiv beworben. Interessanterweise wartete man im September auf die Auslieferung der Ware für Hunde bis 30 kg KGW vergeblich, weil, nach Aussagen von Bayer, eine falsche Zahlenangabe auf der Verpackung aufgedruckt war. Als Druckfehler war anstatt einer 1 eine 4 zu lesen, aber wo und an welcher Stelle ist von Herrn Schöler vom Produktmanagement von Bayer zu diesem Thema nicht zu erfahren. Einen Teil dieser falsch deklarierten Packungen hat dann die Firma Heiland zu einem deutlich reduzierten Preis an die Tierärzte weiterverkauft. Auf diesen Packungen war fälschlich zu lesen, dass vier von den kleinen Hundeknochen pro 30 kg anstatt richtigerweise nur einer von den Knochen zu geben seien. Eine vierfache Überdosierung also, wo es schon bei einer normalen Dosierung zusammen mit Futter zu Nebenwirkungen bei -/- Hunden kommen kann. Diese sind leider auch eingetreten, wenngleich Bayer versichert, dass kein Fall bekannt ist, der als Folge der falschen Zahlenangabe aufgetreten ist. Im Raum Hofheim z.B. wurde einer Hündin das Mittel in der korrekten Dosierung, aber zusammen mit Futter gegeben. Etwa 3,5 Stunden später fing sie an zu zittern und zu krampfen, so dass die Besitzer zuerst an einen epileptischen Anfall glaubten. Die Hündin lief sehr staksig umher, war aber während der ganzen Zeit ansprechbar. Nach einigen Stunden wurde sie in eine Tierklinik eingeliefert und musste eine Nacht stationär behandelt werden, konnte allerdings schon am nächsten Tag entlassen werden. Zum Glück konnte der anfängliche Vergiftungsverdacht „entkräftet“ werden, da bereits zuvor eine Colliehündin mit den gleichen Symptomen nach der Gabe von Profender® vorgestellt worden war. Nach unbestätigten Aussagen soll die Firma Bayer die Kosten für die Behandlung übernommen haben.
Sicherlich kann man unterschiedlicher Meinung darüber sein, ob dieses Präparat eine Gefahr in sich birgt oder nicht, schließlich dürfte den Hunden, auch MDR1 -/- Hunden ja nichts passieren, solange man sich nur punktgenau an die Empfehlungen hält.
Leider hält sich das Leben per se nicht immer punktgenau an alle Vorschriften, und eine menschliche Eigenschaft ist es dann und wann zu schwächeln. Die Krux beginnt schon damit, dass die Entwurmungsknochen in Großpackungen abgegeben werden und die Tabletten zum Einzelverkauf daraus entnommen werden, so dass die Packungsbeilagen im Eifer des täglichen Geschäfts nicht immer mitgegeben werden und wurden. Übrigens sind diese Beipackzettel auch nicht gerade kurz, so dass es fraglich scheint, ob jeder Tierarzt und jeder Besitzer diese auch bis zum Ende durchgelesen hat, erfahrungsgemäß eher nicht! Der Hinweis zu dem MDR1 Defekt erscheint erst ziemlich weit unten, viele Leser werden es bis dahin gar nicht schaffen. Und noch mal zur Erinnerung: Der Wirkstoff ist bereits seit vier Jahren auf dem Markt!
Und dann nimmt man vielleicht auch nicht jeden Hinweis immer ganz ernst. Schließlich gibt man den Katzen das Profender® als spot-on Präparat auch einfach mal zwischendurch, wenn man gerade daran denkt, nirgendwo ist der Zusammenhang von Auftreten von Nebenwirkungen bei gleichzeitiger Fütterung beschrieben, bisher ja auch nicht aufgetreten. Dabei reagieren normalerweise Katzen deutlich empfindlicher als Hunde auf Medikamente, von seltenen Ausnahmen einmal abgesehen. Wenn man außerdem die Hundedosierung mit der Katzendosierung vergleicht, stellt man fest, dass bei Katzen eine fünffache Dosis noch als tolerabel erachtet wird, nämlich bei der Packungsgröße 0,5 bis 2,5 kg!
Für die Firma ist es aber selbstverständlich, dass man sich Jahre, nachdem ein Präparat eingeführt wurde, für jede Gewichtsklasse erneut die Beilage durchliest, darauf berufen sie sich. Auf Nachfragen reagiert zumindest die Abteilung für das Produktmanagement sehr zugeknöpft. Bei ihnen liegt überhaupt keine „Schuld“, man muss sich schließlich nur genau an die Anweisungen halten. Bayer sieht in dem Produkt kein Problem. Glücklicherweise gab es bisher keinen bekannt gewordenen Todesfall. Im Jahr 2009 wurden bis jetzt elf Fälle von Nebenwirkungen nach der Eingabe von Profender® an das Ministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz in Berlin gemeldet. Bei den elf Hunden handelt es sich um fünf Collies, zwei Shelties, einen Collie-Sheltiemix, einen Australian Shepherd, einen Pudelmix und einen Chihuahua. Davon hatten drei Collies ein Sheltie und der Pudelmischling einen nachgewiesenen MDR1-Defekt, bei den anderen Hunden stehen die Testergebnisse noch aus. Auch das Ministerium geht von einer wesentlich höheren Dunkelziffer aus.
Den Vorschlag, einen eindeutigen Warnhinweis auf der Verpackung und/ oder den Blistern anzubringen, lehnt die Firma Bayer ab; sie sieht keinen weiteren Handlungsbedarf.
Anmerkung der Redaktion: Hier ist der Beipackzettel im Internet zu finden, der eindeutig Auskunft gibt und warnt.
Für ALLE Hunde gilt, was im Beipackzettel ausdrücklich steht:
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