Continental Bulldog

Continental Bulldog
Continental Bulldog Pickwick Caius BOB Aarau 2018

FCI – vorläufige Anerkennung per 30.3.2022

Erinnerungen von Eva-Maria Krämer

Ich hatte von den Zuchtversuchen gehört und tatsächlich durfte ich Familie Angehrn in der Schweiz besuchen. Das war kurz vor der Anerkennung der Rasse 2004 durch die SKG, den Schweizer Hundezuchtverband, der – das muss man sagen, unter der Führung von Dr. Hans Räber unglaublich weitblickend in der Rassehundezucht war. 

Dieser Besuch auf dem herrlichen Anwesen mit viel Platz für die Hunde blieb mir unvergesslich. Ich habe so unglaublich viel gelernt und von Herzen dem Anliegen dieser Züchter den Erfolg einer internationalen Anerkennung gewünscht. Der Continental Bulldog ging seinen Weg, zunächst auf nationaler Ebene, aber die FCI bzw. die Mitgliedsländer, lehnten den Antrag der SKG mehrmals ab. Fast 20 Jahre lang! Hoffen wir, dass nun der Wettbewerb auf höchster internationaler Ebene nicht der Untergang sein wird und das Ziel einer gesunden familientauglichen Bulldogge nicht aus den Augen verloren wird. 

Im Januar 2005 schrieb ich einen Bericht über diesen Besuch in Das Deutsche Hunde Magazin, der einen Einblick gibt, wie es zu der Züchtung dieser neuen Rasse kam. Hier ging es nicht um eine skurrile Kreation, wie sie heute so beliebt und einträglich sind, sondern hier lag echtes kynologisches Interesse der Not gehorchend zu Grunde. Basierend auf langjähriger Erfahrung in der Hundezucht, ein Unterfangen wie wir es uns heute für viele Rassen wünschten! 

Continental Bulldog
“Volvo” 1,5 Jahre alt, 2. Kreuzungsgeneration

Der Continental Bulldog

In Bulldog-Kreisen bin ich nicht beliebt ob meiner kritischen Äußerungen. Denn ich kenne keinen Bulldog, der auf Ausstellungen gut abschneidet – also vom Aussehen her den Standard in bester Form personifizieren sollte – der nicht mein Mitleid erregt. Auch was ich bei renommierten Züchtern erleben durfte, jagt mir noch Schauer über den Rücken…

Welpen, die per Kaiserschnitt geboren werden, was an der Tagesordnung ist, die separat von der Mutter aufgezogen werden müssen, weil sie zu viel trinkend zu schnell zunehmen und erst nach Wochen auf den Beinchen stehen. Welpen, die gar keine normale Welpenentwicklung durchmachen können. Die erwachsenen Hunde bei der kleinsten Aufregung und angenehmen Wärme außer Atem, Hunde die vom Temperament her gerne fröhlich und verspielt wären, aber in einem Körper gefangen sind, der ihnen das Leben zur Qual macht. 

Was macht Bulldogs so beliebt?

Dabei sind Bulldogbesitzer nette Menschen, die ihre Hunde lieben und alles für sie tun, um ihnen dieses Leben so schön wie möglich zu gestalten. Was veranlasst sie dazu, mit solchen Hunden zu leben? Ist es die Abhängigkeit, die Tatsache, dass die Hunde ohne die sorgfältige Pflege ihrer Besitzer nicht überleben können, dass man gebraucht wird, die die Menschen mit ganz besonderer Liebe an diese Geschöpfe bindet? Ich kenne den Zwiespalt in der Bulldogszene schon sehr lange.

Übertypisierung auf Kosten der Gesundheit? 

Die Übertypisierung, der viel zu große Kopf, die viel zu kurze Nase, ein unbrauchbares Gebiss, mit dem die Hündin ihre Welpen nicht mehr aus der Eihülle befreien kann, das viel zu schmale Hinterteil, die an den Seiten einer extrem breiten Brust angesetzten Vorderläufe, (die einen normalen Deckakt unmöglich machen), die verkrüppelte Rute, die oft den After verschließt, das extreme Gewicht (lt. Standard 25 kg beim Rüden, tatsächlich jedoch bei Ausstellungssiegern 29-34 kg), ist vor allen Dingen überhaupt nicht typisch, sondern wurde erst in den letzten Jahrzehnten maßlos übertrieben. Dabei steht das so alles gar nicht im Standard, aber die Richter bevorzugen immer extremere, ja skurrile Erscheinungsformen und wer mit seinem Hund Erfolg haben will, muss sich den Trends fügen, ein Teufelskreis auf Kosten der Kreatur. Zwar musste man im Mutterland England den Standard per Gesetz im Sinne des Tierschutzes ändern. Allerdings hat man ihn nur schwammiger verfasst, so dass Richter und Züchter keineswegs gezwungen sind, einen vernünftigen Weg einzuschlagen. (2011 wurde der FCI Standard nachgebessert).

Imelda Angehrn mit einem Arm voll Welpe

Die Pickwick Bulldogs

Wer sich mit englischen Bulldoggen befasst, der kennt einen Namen: Angehrn und Pickwick Bulldogs. Peter Angehrn hatte die Rasse während seines Studiums bei seiner Gastfamilie in London kennen und lieben gelernt. So kam der erste Bulldog in die Familie. Seit 1966 züchtet Imelda Angehrn Bulldoggen mit großem Erfolg. Auf über 50 Champions hat sie es gebracht. Sie dürfte damit die erfolgreichste Züchterin Europas außerhalb Englands sein. In ihrem 1993 im Kynos Verlag erschienenen Standardwerk äußerte sie sich für eine im Wettbewerb stehende Züchterin sehr kritisch zur Entwicklung der Rasse. 

Sie beschreibt als ihr persönliches Ziel einen Bulldog, mit dem man auch mal eine Stunde spazieren gehen kann, wenn es nicht zu heiß ist, mit leichteren, insgesamt weniger gestauchtem Körperbau, der seinen Kopf noch heben kann, der in der Lage ist sich auf natürliche Weise fortzupflanzen. Doch leider werden solche Exemplare auf Schauen so schlecht bewertet, dass sie der Zucht verloren gehen. Stattdessen bietet die moderne Medizin problemlose Kaiserschnitte und ermöglicht gefahrloser als früher die Zucht mit Hündinnen, bei denen von vorneherein klar ist, dass sie nicht natürlich gebären können. Damals glaubte Imelda Angehrn, es gäbe noch genügend Hunde, um die Rasse auf einen gesunden Weg – entsprechend dem Standard – zurückzuführen. Mit einigen wenigen Züchtern versuchte sie, ihre Zucht im Sinne des Wohlbefindens der Hunde zu verbessern. Sie musste aber leider rasch feststellen, dass offenbar der Genpool nicht mehr ausreichte und wichtige Merkmale unwiederbringlich verschwunden waren.

Ein neuer Weg

Ein neuer Weg musste gefunden werden, und sie bekam vom schweizerischen Zuchtverband SKG die Genehmigung, gezielt amerikanische Olde Englishe Bulldogs einzukreuzen. In den Staaten hatte man den ursprünglichen Bulldogtyp, der mit den ersten Siedlern aus England herübergekommen war, bewahrt. Imelda Angehrn besuchte in den Staaten einige Züchter und suchte mit großer Sorgfalt Zuchthunde aus, die sie mit ihren eigenen englischen Bulldoggen kreuzte (was offenbar keine leichte Aufgabe war, denn es gibt viele Züchter mit unterschiedlichsten Zielsetzungen in den USA, die man erst einmal kennenlernen musste, um an gute Zuchttiere zu kommen). Damit stieß sie bei den englischen und europäischen Bulldogzüchtern nicht auf Gegenliebe. Aber die Sache war ihr Verlust von Anerkennung und Freundschaften wert. 

Ihre Liebe und Verbundenheit zum English Bulldog und die Tatsache, dass in der Schweiz ein neues Tierschutzgesetz in Vorbereitung war, das jede Art von Qualzucht bei Tieren gesetzlich verbietet (und der English Bulldog stand dort zu oberst auf der Liste) bewogen Imelda Angehrn, nach all den Jahren einen Neubeginn zu starten, um doch noch etwas in der Bulldogzucht zu bewegen. Schon die ersten Kreuzungswürfe überraschten durch ihre Vitalität, häufig nicht verkrüppelten Ruten, etwas längere Nasen und leichteren Körperbau. Die Lebensfreude dieser Hunde, die springen und toben konnten, die ihr Leben vom ersten Tag an genießen durften, belohnte für all die Mühe und beflügelte, den eingeschlagenen Weg weiter zu gehen. Nur eines durfte sie nicht: Die Hunde englische Bulldoggen nennen. Die Bulldogzüchter, insbesondere im Mutterland, distanzierten sich von diesen Kreuzungen. Imelda Angehrn erkannte rasch, unterstützt von dem berühmten Schweizer Kynologen Dr. Hans Räber, dass sie mit dem Einkreuzen der Olde Englishe Bulldogge zur Verbesserung des English Bulldog allein auf weiter Flur stand und nichts bewegen konnte. 

Schon nach wenigen Generationen sind die Ruten lang und die Hunde können aktiv sein

Der Continental Bulldog ist national anerkannt

Diese Hunde, die ihr täglich so viel Freude bereiteten, die nach natürlichen Deckakten und natürlichen Geburten gesunde Welpen aufzogen, die genau das waren, was sie sich eigentlich in all den Jahren gewünscht hatte – lebensfrohe Begleiter, die nicht unter ihrem eigenen Körper zu leiden hatten und dennoch echte Bulldoggen mit liebenswert sturem Dickkopf und durch und durch freundlichen Charakter waren, konnte und wollte sie nicht aufgeben. 

So blieb nur der mühevolle Weg, eine eigene Rasse zu züchten. Der schweizerische Zuchtverband SKG erklärte sich nach sorgfältiger Überprüfung der Hunde am 15.9.2004 zur Anerkennung der neuen Rasse Continental Bulldog bereit. Jetzt wird eine internationale Anerkennung durch die FCI angestrebt. Imelda Angehrn wünscht sich nichts mehr als lange genug gesund zu bleiben, um eine solide Basis für die neue Rasse zu legen und begeisterte Mitstreiter zu finden. 

Tobende Continental Bulldogs im Jahre 2004

Zuchtprogramme erfordern besonderen Einsatz

Das wir sicher nicht leicht, denn ihr Zuchtprogramm, das ursprünglich auf eine Einkreuzung ausgelegt war, muss nun auf eine solche genetisch breite Basis ausgerichtet werden, um nicht schon nach wenigen Generationen in Inzuchtdepression zu verfallen. Zum Glück kann man heute wissenschaftliche Erkenntnisse nutzen.

Zurzeit befinden sich im Hause Angehrn mehr Bullogs als ihr lieb ist, doch der Aufbau einer neuen Rasse erfordert viele Hunde und eine breite Zuchtbasis. 

Für die Versorgung der Hunde sind hauptberuflich drei ausgebildete Tierpflegerinnen tätig, die sich liebevoll um jeden einzelnen Hund und die Welpen kümmern. Platz und menschliche Zuwendung sind für diese Aufgabe in vorbildlichem Maße gegeben. Die Bulldoggen leben alle unmittelbar am Haus und die Welpen werden bestens geprägt und sozialisiert.

Eine Rasse mit Zukunft

Ich habe eine Meute fröhlicher, tobender und spielender Continental Bulldogs kennen gelernt, freundlich und aufgeschlossen, die am liebsten mit ihrem Frauchen Stöckchen spielen. Schon nach wenigen Generationen sind die Übertreibungen des modernen englischen Bulldog verschwunden. Ich bin sicher, dass die Rasse Freunde finden wird. Die Hunde passen bestens in unsere moderne Welt, finden in jeder Wohnung Platz und sind gut auf Reisen mitzunehmen. Sie sind fröhlich mit mäßigem Temperament, sie lieben Spaziergänge, fordern aber keine sportlichen Leistungen ihrer Besitzer und sind sozialverträglich. Das kurze Fell ist pflegeleicht. 

Soweit die Erinnerungen aus dem Jahre 2004. Natürlich gab es auch Rückschläge, denn die „neue Rasse“, die ja außer ihrer Heimat noch nicht anerkannt war, wurde nun wild gezüchtet. Doch es dauerte nicht allzu lang, bis die nationale Anerkennung auch im Ausland eine geregelte Zucht ermöglichte, die Spreu vom Weizen zu trennen. Heute ist der Continental Bulldog allgemein bekannt und wir hoffen und wünschen ihm auf seinem weiteren Weg Züchter, die das ursprüngliche Zuchtziel als oberste Priorität verfolgen.