Heute vor 52 Jahren wurde Pretty geboren. Sie stammte aus einem niederländischen Zwinger. Die Bekanntschaft mit den Hunden dieser Zuchtstätte besiegelte schon zu Beginn der Zucht die Vorstellung vom Collietyp, den man züchten wollte. 1974 fiel der 1. Wurf, doch schon für den B-Wurf im selben Jahr fuhren Reinhards nach Holland zum Decken. Schließlich gelang es, Pretty zu kaufen. Sie kam im Alter von 18 Monaten zu den Reinhards. Das war der Startschuß zu der erfolgreichen Zucht, deren Name man heute in fast allen europäischen Ahnentafeln findet. Nur wenigen ist es gelungen, ihre Linie bis in den heutigen Tag zu führen. Über die Funktion „umgekehrter Stammbaum“ im Collie Breed Archive lässt sich der Einfluss eines Hundes über die Jahrzehnte nachvollziehen. Dabei ist es erschreckend zu sehen, wie der Genpool immer enger wird. Die absolute Mehrheit aller geborenen Hunde trägt nicht zum Genpool bei, weil sie nicht in der Zucht eingesetzt werden. Andere versickern nach ein paar Generationen im Sande… Populationsgenetisch gesehen ist das das größte Problem der Rassehundezucht. Pretty gehört zu den Namen, die wir tatsächlich noch finden.
Pretty war kein Showstar. Es gelangen auch kaum wirklich gute Bilder, die ihre Qualitäten zeigten. Auch wenn sie ihr in keiner Weise gerecht werden, so erkennt man doch ihren wunderschönen Ausdruck, den ich heute noch nach vielen Generationen gelegentlich sehe, auch wenn viele heute ein anderes Schönheitsideal – weitab vom Standard – haben mögen.
Pretty hatte 3 Würfe. Im 1. stark auf Rokeby gezogenen Wurf mit einem pedigree IK von über 30%, war ein hübscher Rüde. Auch der 2. Wurf – eine Halbgeschwisterverpaarung – ging nicht in die Weiterzucht. Der 3. Wurf war ebenfalls stark auf Linie gezogen. Daraus war Rainbow vom Hause Reinhard diejenige, die die Flagge weiter trug. Aus dem Q-Wurf – eine Halbgeschwisterverpaarung auf Pretty – ging die Linie über Quintilian und Quercia (Halbgeschwisterverpaarung auf Pretty) über Ungarn und die Schweiz weiter. Aber es war die Verbindung mit dem eigens für sie ausgesuchten Chancellorville Aquitane, der Pretty unsterblich machen sollte. Carry, Cheyenne und Cookie schrieben Geschichte und sind heute noch in unglaublich vielen europäischen Ahnentafeln zu finden. Dieser Verbindung hatte zum Vergleich zum 1. Wurf einen wesentlich geringeren und heute noch oft nicht erreichten pedigree IK von 11,55%.
Damals war das Erreichen eines angestrebten Zuchtziels nach allgemein gültiger Regel nur über Inzucht oder enge Linienzucht zu schaffen. Solche Ahnentafeln waren hoch geschätzt. Inzwischen sind wir 5 Jahrzehnte und viele Generationen weiter, so dass ein Umdenken absolut notwendig ist. Aber die Situation spitzt sich eher noch zu, auch wenn in den für uns einsehbaren Generationen erstmal bei Betrachtung der Ahnentafeln nichts doppelt zu sehen sein sollte. Der C-Wurf z.B. hatte auf 7 Generationen einen IK von 11,55% und einen Ahnenverlust von 48%. Bei 10 Generationen beträgt der IK 15,22 % allerdings fehlen einige Hunde in der 8.,9. und 10. Generation. Doch wir kommen auf einen Ahnenverlust von 78% – das heißt, dass nur noch 20 % der möglichen Vorfahren, wenn keinerlei Inzucht stattgefunden hätte, vorhanden sind. Dieser Wert ist sehr viel einleuchtender als der der hypothetisch errechnete IK. Dies nur um die Situation der Rasse noch einmal vor Augen zu führen! Es lohnt sich wirklich wenigstens 10 Generationen anzusehen. So kommt z.B. Lochinvar of Ladypark 65 mal vor, dahinter durch fortwährende Inzucht viele gemeinsame Vorfahren, Dazzler of Dunsinane kommt „nur“ 16 x vor!
Es lohnt sich wirklich einmal tiefer zu gehen um zu sehen, wie eng es letztlich hintenraus und der Genpool immer enger wird, auch wenn es nach vornehin mehr Hunde sind. Spannend wie ein Krimi!!! Und man muss kein Genetiker sein, um sich das bildlich vorzustellen.
Sei es wie es sei, der Collie steht da nicht alleine, viele Rassen sind ebenso aufgebaut und das heute noch immer übliche Ausselektieren aus der Zucht von Hunden aufgrund kleinerer Schönheitsfehler oder einfach nur eines derzeit nicht im Trend stehenden Typs bedeutet das Ende der Rassehundezucht. Es ist erstaunlich, wie langlebig und gesund unsere Hunde dennoch sind… der Hund ist offenbar sehr anpassungsfähig, aber das ist kein Grund die Augen zu verschließen. Es sind durchaus Anzeichen für eine Inzuchtdepression festzustellen, aber das ist ein Thema für sich.
Lesen Sie mehr zu Pretty in der Collie Revue vom September 1985 S. 22 “Die Story von Cookie”
Copyright Text und Fotos Eva-Maria Krämer