
100 Jahre alt wäre Heinz Steinmeyer in diesem Jahr geworden. Ich denke so oft an ihn und das wunderbare Fotoshooting in den 1980er Jahren in der Wahner Heide. Ich arbeitete freiberuflich für die renommierte Zeitschrift DAS TIER und erstellte Rasseporträts in der Serie „Die schönsten Hunderassen“. Hundezeitschriften waren rar und meine Rasseporträts schon etwas Besonderes und international geschätzt. Ich machte es mir zur Aufgabe, meine Informationen von erfahrenen Fachleuten persönlich zu bekommen und Menschen und Hunde selbst zu erfahren. Heinz Steinmeyer erklärte sich bereit, mir bei meinem Artikel über seine geliebte Rasse zu helfen. Längst konnte ich nicht alles, was er so berichtete, schreiben. Vielmehr muss man ja vieles so „verpacken“, dass es keinen falschen Eindruck bei Laien erweckt, aber man auch nichts beschönigt. So war der Gang in die nahegelegene Wahner Heide ein Erlebnis der besonderen Art.

Mit drei erwachsenen Barsois zogen wir los, die tatsächlich für das Shooting frei ohne Leine gestellt wurden. Da galt es höchste Aufmerksamkeit zu bewahren, dass nicht doch irgendwelche frei laufenden Hunde oder gar Wild um die Ecke kamen. Ansonsten waren die drei sehr gut erzogen. Es zeigte mir aber lebhaft, was es bedeutet mit solchen Hunden zu leben. Es sind wundervolle Fotos geworden, besonders beeindruckt hat mich Tolkaia’s Asmodey, der später den Barsoi in meinem KOSMOS Hundeführer darstellte. Ich konnte mich bis heute nicht durchringen, dieses inzwischen alte und für manchen Barsoikenner heute sicherlich „veraltete“ Bild auszutauschen. Ich denke, es zeigt die Schönheit und Würde der Rasse nach wie vor wunderschön.

Leider konnte ich das Originalfoto von Heinz Steinmeyer und seinen drei Hunden nicht mehr finden. Es muss deshalb diese Kopie genügen. Aber Fotos von den Hunden kann ich gerne mit Ihnen teilen.
Hier der Artikel:
Mit dem Wind um die Wette – der Barsoi
Die Geschichte des Barsois ist so bewegt wie die seiner Heimat. Er genoss höchstes Ansehen beim russischen Adel. Er wurde vom Volk gehasst und mit seinen Herren hingerichtet. Hätte er nicht weltweit Freunde gewonnen, wäre er während der Oktoberrevolution mit dem Zarenreich untergegangen.
Ein Luxushund für die Adligen
Hetzjagden mit Windhunden haben in Russland uralte Tradition. Die ersten Aufzeichnungen stammen aus dem 11. Jahrhundert. Ob es sich dabei um den heutigen Barsoi handelte, ist nicht bekannt. Seine Vorfahren sollen auf den Kurland-Windhund zurückgehen, was aufgrund des überlieferten Erscheinungsbilds wahrscheinlich ist. Es wurden aber auch englische Greyhounds und mongolische Tatarenhunde eingekreuzt. 1650 wurde der Barsoi erstmals so beschrieben, wie wir ihn heute kennen.
Blütezeit der Wolfsjagd
Die Blütezeit der Hetzjagd mit Barsois begann mit den ersten Zaren. Die Jagd mit den schnellen Hunden war damals der Nationalsport der Aristokratie. Ganze Güter mit tausenden von Hektar Land und hunderten von Leibeigenen wurden allein der Zucht, Ausbildung und Jagd mit dem Barsoi zur Verfügung gestellt. Mit heute kaum mehr vorstellbaren Ausmaßen: so wurden zum Transport von Pferden, Hunden und Personal Sonderzüge mit 40 Gepäckwagen eingesetzt. Mehr als 100 Barsois, 100 Parforcehunden und ebenso viele Jagdhelfer reisten an. Treiber scheuchten mit den Hundemeuten die Wölfe aus dem Wald ins offene Gelände, wo die Reiter mit je 3 Barsois, einer Hündin und zwei Rüden, auf sie warteten. Dann begann die wilde Jagd. Die Hündin trieb den Wolf, die Rüden stellten ihn und hielten ihn fest, bis der Reiter herbeikam. Barsois, die selbstständig einen Wolf töten konnten, waren von nahezu unschätzbarem Wert. Die Hunde wurden von Russland aus als erlesene Geschenke des Zarenhofs an ausländische Fürstenhäuser geschickt, so dass Barsois im 18. Jahrhundert als Luxushunde in den vornehmsten Häusern Westeuropas lebten. Einer der ersten deutschen Barsoi-Liebhaber war Prinz Karl von Preußen, dessen Hunde aus der Zucht des Zaren Alexander II. stammten. Die russische Barsoizucht fand 1917 mit der Oktoberrevolution ihr Ende. Der Volkszorn gegen die verschwenderischen Adligen und Großgrundbesitzer machte auch vor den Barsois nicht halt. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg konnte sich die Barsoizucht in ihrem Mutterland wieder erholen, nicht zuletzt dank deutscher Importe. Der Barsoi hatte Glück. In den Folgejahren blieb ihm das Schicksal eines Modehundes erspart. Heute ist er wieder der vollendete Windhund mit allen ursprünglichen Instinkten.
Ein Meutejäger mit Familiensinn

Der russische Windhund ist ein unkomplizierter, angenehmer und pflegeleichter Hausgenosse. Als mutiger Jäger besitzt er ein ausgeprägtes Sozialverhalten, was ihn für Erziehung und Einordnung in die Familie zugänglicher macht als andere Windhunde. Er lernt schnell. Gehorsamstraining für den Leistungssport allerdings erzielt bei ihm wenig Wirkung. Er ist zu klug, um sich drillen zu lassen. Da er ein sehr feines Gespür für Rangordnung in der Familie besitzt, braucht besonders der Rüde eine konsequente Führung, die ihm seinen Platz im Rudel zuweist. Der sensible Hund lässt sich durch Worte und Stimmlage regieren. Körperliche Bestrafung macht ihn höchstens stur und unzugänglich. Fremden gegenüber ist der Barsoi vornehm zurückhaltend und vorsichtig, aber nicht ängstlich. Er bellt nie unnötig und verhält sich im Haus stets ruhig und gelassen. Kindern ist er ein zärtlicher Hausgenosse, allerdings kein Spielgefährte. Barsois besitzen einen zuverlässigen Schutztrieb, man kann ohne Sorge mit ihnen im Dunkeln spazieren gehen. Sie greifen nie grundlos an, sind bei Gefahr aber stets zur Verteidigung bereit. Ein Barsoi lebt selbstverständlich als Familienmitglied in der gemeinsamen Wohnung und nicht etwa in einem Zwinger. Der große Windhund braucht Lebensraum sowohl im Haus als auch im sicher eingezäunten Grundstück. Bewegung und Auslauf sind für ihn lebenswichtig. Auch der besterzogene und gehorsamste Barsoi lässt sich nicht immer von der wilden Hatz hinter dem Reh oder Hasen abhalten. Hat der Hund das flüchtende Wild vor seinem Herrn erblickt und dieser versäumt, ihn unmittelbar zurückzurufen, bleibt nur noch banges Hoffen, der Hund möge unverletzt zurückkommen. Nerven und auch Körperkraft gehören schon zur Barsoi Haltung. Besonders mehrere Tiere sind kaum zu halten, wenn sie von fremden Hunden angepöbelt werden.

Drei Stunden Auslauf am Tag
Mit liebevoller Bewunderung blickt Barsoizüchter Heinz Steinmeyer auf seine Hunde. Das Hetzhundeerbe sieht er nicht als Belastung. Im großen Waldauslauf am Haus haben die Tiere alle Möglichkeiten sich auszutoben. Lange Spaziergänge sorgen für feste Kondition, denn die Tolkaias sind nicht nur schöne, sondern auch schnelle Hunde. Weltsieger in der Schönheit und Rennsieger auf der Bahn sowie in der Kombination tragen diese Namen. Heinz Steinmeyers Lieblingssport ist allerdings das Coursing. Es ist die einzige Möglichkeit den Hunden die Gelegenheit zu geben, ihre Instinkte auszuleben und die angeborenen Jagdtechniken zu üben. Im Oval stur hinter dem künstlichen Hasen her zu laufen ist nicht das Metier des Meutejägers Barsoi. Coursing bedeutet die Jagd mit Hunden auf Hasen. Was hierzulande natürlich nicht erlaubt ist. Stattdessen wird ein Hasenfell im Zickzack-Kurs über Rollen gezogen, wobei die Hunde Gräben und Hindernisse überwinden müssen. Beurteilt wird nicht nur die Schnelligkeit, sondern vor allem die Geschicklichkeit der Tiere bei der Zusammenarbeit um den Hasen zu stellen. Wer seinem Hund nicht wenigstens drei Stunden Auslauf am Tag und regelmäßiges Lauftraining bieten kann, sollte sich eine andere Rasse suchen, warnt der Züchter.

Der Barsoi auf einen Blick
Das mittellange, gewellte Haar neigt nicht zum Verfilzen und sollte zwar regelmäßig, aber nicht täglich gebürstet werden. Ansonsten braucht ein Barsoi kaum besondere Pflege. Auch in der Ernährung ist er wenig anspruchsvoll, wobei der beim Rennen eingesetzte Hund wie ein Leistungssportler eine eiweißreiche, hochwertige Kost benötigt. Viel Platz und Zeit sind – neben dem Verständnis für den angeborenen Hetztrieb – vornehmliche Anforderungen, die ein Barsoi an seinen Herrn stellt. Auffallend ist der Haarschmuck an Hals, Unterbrust, Rückseite der Läufe und Rute. Ruhe und Zurückhaltung bestimmen den Charakter ebenso wie Unerschrockenheit der Tiere. Nahezu quadratischer Körperbau mit flachgewölbtem, muskulösem Rücken. Die Augen sind mandelförmig und dunkel. Die kleinen Rosenohren werden in Ruhe zurückgeschlagen. Schulterhöhe beim Rüden zwischen 70 und 82 cm, die Hündin ist ungefähr 5 cm niedriger.

Als ich für meine Erstausgabe des KOSMOS Hundeführers recherchierte, nahm ich Kontakt mit Hundezüchtern in Moskau auf. Damals noch Sowjetunion, ein Visum musste beantragt werden, es war schon etwas Besonderes dorthin zu reisen. Ich hatte alles fertig geplant und es gelang mir mit meiner Kontaktperson zu telefonieren. Sie war der Annahme, ich wolle für die Barsois anreisen und hatte sich gewundert, denn in Russland gäbe es keine guten, viel besser seien die Hunde hier in Westeuropa. Aber der Barsoi war mir nicht so wichtig, ich wusste das, ich wollte die vielen anderen russischen Rassen sehen. Ich wusste, dass in den Zwingern Roter Stern Rassen gezüchtet wurden und aus ganz Russland Exemplare der lokalen Rassen – insbesondere Windhunde – gehalten wurden. Aber der Zahn war schnell gezogen: die Jagdhunde werden von einem anderen Verband betreut und befinden sich im Sommer in abgelegenen Unterkünften der Jäger. Keine Chance Kontakte aufzunehmen oder gar Hunde zu finden. Was den Roten Stern anging, so war es sehr unwahrscheinlich dort Zugang zu erhalten. Das hätte sicher besser vorbereitet werden müssen. Aber man bedenke die Zeit – kein Internet, Russisch!, Telefonieren war schwierig und teuer. So habe ich die Reise schweren Herzens abgeblasen, da sie mit großen Umständen und Kosten verbunden gewesen wäre. Heute ärgere ich mich darüber, es wäre in jedem Fall ein Erlebnis geworden. Zum Glück half mir eine hervorragende Fotografin aus der Tschechoslowakei mit Bildern für den 1. Hundeführer in 1990 aus, die ich inzwischen Stück für Stück ersetzen konnte.
Copyright Text und Fotos Eva-Maria Krämer
