Carolina Dogs

Carolina Dog
Carolina Dogs Rüde Jacy - Hündin Noloha - 2005

Als ich vor nahezu 20 Jahren auf Carolina Dogs in Deutschland stieß, nahm ich sofort Kontakt auf und durfte die beiden Hunde besuchen und ihre Besitzer interviewen. Das war besonders interessant, da mich Myrna Shiboleth begleitete, die in Israel seit vielen Jahren Kanaan-Hunde züchtet und immer wieder Wildfänge aus dem Umfeld von Beduinen in der Wüste in ihr Zuchtprogramm einschließt. Von den Verhaltensweisen stellte sie starke Ähnlichkeiten mit Kanaan-Hunden fest.

In Heft 4 des Deutschen Hundemagazins von 2006 veröffentlichte ich meinen Bericht über den Carolina Dog.

Carolina Dogs
Carolina Dogs Rüde Jacy – Hündin Noloha – 2005

Carolina Dogs

Großartige Begleiter für sportliche, hundeerfahrene Menschen

Es war eine aufregende Entdeckung, als ein Zoologe in den 1970ern in South Carolina und Georgia in unzugänglichen Sumpfgebieten die wild lebenden Hunde entdeckte. Er untersuchte regelmäßig die Tierwelt, die in diesem abgeschlossenen, riesigen Arial einer ehemaligen Atommülldeponie lebte, auf radioaktive Verseuchung. Dabei traf er immer wieder einmal auf scheue, gelbe Hunde. Im örtlichen Tierheim sah er einen solchen Hund, der aussah wie australische Dingos, die er erforscht hatte. Das konnte kein Zufall sein und er fragte sich, wie viele solcher Hunde tatsächlich in der Wildnis existierten. Dr. Brisbin, Ökologe am Savannah River Lab der Universität von Georgia, fand eine ganze Population eines einheitlichen Hundetyps, und es deutete nichts daraufhin, dass es sich um entlaufene Streuner handelte. DNA-Tests bestätigten, dass die Carolina Wildhunde einem sehr frühen Hundetyp angehören.

Carolina Dog
Carolina Dog Jacy – 2005

Bedrohter Bestand

Das ist eine Sensation, denn bislang wusste man über die Hunde der Ureinwohner nicht viel. Indianische Felszeichnungen zeigen einen ursprünglichen Hundetyp, ganz so wie den Carolina Hund. Waren es die Hunde der von den Weißen vertriebenen Ureinwohner, die hier einen Platz zum Überleben gefunden hatten? Für Brisbin stellte sich sofort die Frage: Wie und wann sind sie nach Amerika gekommen?

Brisbin fand einige Verhaltensweisen wie den Beutetiere angepasste Fortpflanzungszyklen, systematisches Löchergraben der Hündinnen, interessante Jagd- und Fangtechniken sowie das Fangen und Töten von Schlangen in Gemeinschaftsarbeit, sehr ungewöhnlich. Doch wie lange werden die Hunde überleben?

Eine besondere Bedrohung stellen die erst kürzlich in die abgegrenzten Gebiete einwandernden Kojoten dar, für die die Hunde Nahrungskonkurrenten, fressbare Beute und zu allem Elend auch noch Sexualpartner sind. Vermischung mit Kojoten bedeutet das Ende dieser einmaligen Hunde auf dem amerikanischen Kontinent. Auch Jäger mit Jagdhunden dringen vor und bedrohen den Bestand.

Eine Heimat haben sie allerdings noch. Dr. Don Anderson besitzt ein großes Areal im Lebensraum der Coralina Dogs und hat sich deren Schutz zur Lebensaufgabe gemacht. Vor allem liegt ihm die Aufklärung der Jäger am Herzen. Selbst in der Umgebung lebende Menschen haben keine Ahnung von den Hunden. Er selbst züchtet gezielt in kleinem Rahmen, um zu enge Inzucht zu vermeiden. Die Hunde genießen als Fährten- und Wachhunde einen erstklassige Ruf.

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Carolina Dog Jacy – 2005

Von der Zucht entdeckt

Das Interesse der Wissenschaft und das Bekanntwerden in der Öffentlichkeit führten dazu, dass ich nicht nur Forscher sondern auch Hundezüchter der einzigen einheimischen Hunderasse Nordamerikas angenommen haben. Offiziell vom American Kennel Club anerkannt ist sie jedoch nicht (inzwischen ins Foundation Stock Register FSS aufgenommen). Die Zucht läuft über den United Kennel Club, der nicht FCI anerkannt ist. Die Situation ist vergleichbar mit den Kanaan Hunden in Israel, die Dres. Menzel in den 1930er Jahren vorfanden, sie wieder in die menschliche Gesellschaft aufnahmen und zur Rasse erklärten, die inzwischen weltweit verbreitet ist, wenn auch in kleiner Zahl. Vom Aussterben ist sie in ihrer Heimat nach wie vor bedroht. Noch gibt es Beduinen, die vereinzelte Wildtiere aufziehen, um die Herden gegen Schakale und die kleinen Wölfe zu verteidigen, die durch den Naturschutz wieder häufiger werden.

Keine Rasse für Jedermann

Das Interesse der Hundeliebhaber an solchen Urhunden, unverfälscht und ursprünglich, ist groß. Nach dem Motto: Zurück zur Natur. Schön, wenn man solche Träume hat und sich erfüllt, aber fragt man sich auch, ob es der Traum eines solchen Hundes ist, im Stadtpark ausgeführt zu werden?

Nicht umsonst hat der Mensch in Jahrhunderte langer mühevoller Zuchtselektion auf bestimmte Aufgaben spezialisierte Hunderassen geschaffen. Wie Dr. Ray Coppinger kürzlich in einer hervorragenden Sendung über Hunde sagte: „Es gibt kein Zuchtziel „Familienbegleitung im städtischen Lebensraum, angepasst an unsere Lebensweise.“ In der Tat sind die meisten Hunde am falschen Platz und werden so zu Problemhunden.

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Carolina Dog Pärchen Jacy und Noloha – 2005

Sicher gibt es einige angepasste Hunderassen, aber der persönliche Geschmack zum Aussehen oder Prestigewert überwiegt doch immer wieder.

Ich kenne die Kanaan Hunde sehr gut und habe mich schon vor 30 Jahren gefragt, ob wir solche Hunde brauchen oder sie uns. Inzwischen habe ich viel dazu gelernt, und noch immer habe ich Zweifel. Entweder werden sie gezielt für die moderne Umwelt gezüchtet, dann verlieren sie genau die Ursprünglichkeit, für die man sie gerettet hat oder sie passen nicht in unsere Welt.

Eines ist klar, für den unbedarften Hundefreund sind solche Hunde wirklich ein Problem. Denn sie sind alles andere als bequeme Hausgenossen

Carolina Dog
Carolina Dog Jacy – 2005

Nur sehr wenige Hunde in Deutschland

In Deutschland lebt ein Paar dieser Carolina Hunde. Familie Göttert züchtete viele Jahre Neufundländer und suchte nach einer nicht zu einem bestimmten Zweck gezüchteten Hunderasse, die ursprüngliches Hundeverhalten zeigt und noch nicht von Krankheiten geplagt wird. Sie recherchierten und stießen auf die gelben Carolinas. Dass sie ihnen auf Anhieb gut gefielen, kann ich sehr wohl nachvollziehen. Das nicht miteinander verwandte Pärchen Noloha (indianisch die Sonne) und Jacy (indianisch der Mond) kam im September 2003 wohlbehalten in Deutschland an.

Typisches Verhalten des Urhundes

Beide Hunde zeigen das typische Verhalten dieses Urhundtyps, wie man es auch vom Kanaan Hund kennt. Keinesfalls sind es Hunde für unerfahrene Menschen. Selbst ein Leben lang Hunde gehabt zu haben reicht nicht aus, wenn man sich nicht intensiv mit Hundeverhalten befasst, das Verhalten der Tiere versteht und entsprechend damit umgehen kann.

Hervorragende Wachhunde

In der Familie sind diese Hunde sehr zärtlich und liebevoll. Sie suchen Körperkontakt. Besonders Kindern sind sie zuverlässige Gefährten. Allem Fremden gegenüber sind sie abweisend bis aggressiv, aber zugleich unglaublich neugierig. Das macht sie zu hervorragenden Wachhunden, die alles melden.

Fremde nicht gern gesehen

Alle fremden Eindringlinge in Rudel und Revier sind nicht gern gesehen. Einen fremden Hund mit ins Haus zu bringen wäre schwierig, und als Fremder muss man sich daran gewöhnen, misstrauisch beäugt und verbellt zu werden und sich tunlichst nicht auf eigene Faust im Hause zu bewegen.

Bissig sind diese beiden Hunde nicht, denn sie sind in einem lebhaften Haushalt aufgewachsen und sollten sich an fremde gewöhnt haben. Doch ein gewisser Argwohn, stärker bei Noloha ausgeprägt, wird immer bleiben.

Carolina Dog
Carolina Dog Jacy – 2005

Auf neutralem Gebiet problemlos

Mit sehr viel Mühe und Übung ist es gelungen, sie soweit an die vielfältigen Eindrücke der Stadt zu gewöhnen, dass man sie mitnehmen kann. Aber auch nur, wenn es nicht zu vermeiden ist. In der freien Natur sind sie an allem um sie herum interessiert und fühlen sich sicher. Auf neutralem Gelände mit vielen Hunden, wie zum Beispiel in der Hundeschule beim Agility haben sie mit den fremden Hunden kein Problem. Auch das Sacco-Training, Wagenziehen für Hunde, hat Jacy sehr viel Spaß gemacht

Viel Bewegung zur Auslastung nötig

Die Carolina Dogs sind großartige Begleiter für sportliche Menschen, die sich viel in der Natur aufhalten. Diese beiden bekommen drei Stunden Ausgänge zu Fuß oder am Rad am Tag. Im Haus sind die Hunde ruhig und ausgeglichen, auch wenn ein Spaziergang einmal kürzer ausfällt. Für Menschen, die ihren Hund überall hin mitnehmen wollen oder müssen, gibt es sicher geeignetere Rassen.

Typisch für Hunde, die sich selbst ernähren mussten, fressen sie alles, was sich bietet, und interessieren sich für alles Jagdbare wie Mäuse, Eichhörnchen, Vögel. Läuft ein Reh über den Weg, laufen sie nach, kommen aber zurück. Sie sind keine ausdauernden Hetzer und stehen gut im Gehorsam.

Mit dem Carolina Dog kann man die Natur erleben, denn mit ihren scharfen Sinnen hören und sehen sie einfach alles und machen auf Dinge aufmerksam, an denen man sonst achtlos vorüber ginge.

Im Reihenhausvorgarten fehl am Platz

Bei der Erziehung und Haltung dieser Hunde kommt es sehr darauf an sie in das soziale Gefüge der Familie einzubinden und eine klare Struktur vorzugeben. Aber sie sind trotzdem nicht unterordnungsbereit, denn das Zusammenleben in einem wilden Rudel muss funktionieren. Jeder hat seinen Platz und seine Aufgaben im Überlebenskampf. Zusammenarbeit zum gemeinsamen Nutzen ist gefragt. Das Rudelgefüge, zu dem Mensch und Hund gehören, wird mit kleinen Gesten und Mimik liebevoll und sanft geregelt. Die Erziehung fordert Fingerspitzengefühl und Konsequenz, aber auch die Akzeptanz der Hunde als Persönlichkeiten in ihrer eigenen Welt. Zuverlässiger Gehorsam klappt nur auf dieser Basis und nicht mit Drillen nach altherkömmlichem Schema. Die intelligenten Hunde lernen schnell, aber auch das, was nicht unbedingt nützlich ist. Türen öffnen zum Beispiel. Dabei sind sie mit ihren Pfoten erstaunlich geschickt.

Unbeaufsichtigt im nicht eingezäunten Garten laufen können sie nicht. Sie sind es gewöhnt, weitläufig ihr Revier abzuschreiten und setzen ihre Grenzen leider nicht dem Grundbuch entsprechend.

Kein weiterer Zuchtaufbau geplant

Entscheidend ist für diese Hunde, dass sie sehr früh – viel früher als die üblichen Hunderassen – sozialisiert und geprägt werden. Ihre Unsicherheiten überwinden sie weitgehend an der Seite eines selbstbewussten, mit gutem Beispiel vorangehenden Chefs. Sie kommen dann mit den Anforderungen unserer modernen Umwelt und Enge, in der wir leben, besser zurecht. Aber sie werden ihr ursprüngliches Verhalten nie ablegen, und das ist auch gut so. Es sind eben keine Hunde für Jedermann, so verlockend ihr Aussehen und Image auch sein mögen.

Deshalb wird Familie Göttert ihre beiden Wildlinge so lieben, wie sie sind. Eine Zucht aufbauen wollen sie nicht. Sollten Sie sich noch einmal zu einem Wurf entschließen, Noloha hatte 2004 zwei Welpen, gilt es die neuen Besitzer der Welpen mit großer Sorgfalt auszuwählen, denn man braucht, wie Antje Göttert sagt, „schon sehr viel Geduld, Einfühlungsvermögen und Hundeverstand, um sich mit dieser speziellen Rasse artgerecht zu beschäftigen. Sie haben einen eigenständigen, nicht unterwürfigen Charakter, und man muss ihre Beziehung zu Menschen mehr als eine Symbiose sehen und ihre Eigenständigkeit und Eigenarten respektieren.“

Inzwischen wurde die Rasse auch vom American Kennel Club im Foundation Register aufgenommen. Seither wurden zahlreiche DNA-Forschungen betrieben, die darauf hinweisen, dass sie aus dem asiatischen Raum kommen und nicht mit dem Dingo verwandt sind.  

Copyright Text und Fotos Eva-Maria Krämer