Mein Hauptanliegen war stets, Hunde, aus denen Rassen hervorgingen, bei ihrer ursprünglichen Aufgabe zu dokumentieren. Nur so kann man ihr Verhalten verstehen, das sich aufgrund der jahrhundertelangen Zuchtauslese gefestigt hat. Gerade die Terrier interessierten mich, deren Verhalten schon sehr speziell ist und das man nicht so einfach mit ein paar Trainingsstunden in der Hundeschule hinbiegen kann.
Der Bericht ist jetzt an die 40 Jahre alt und ein Stück Zeitgeschichte.
Die irren Terrier von Assynt
Ich hatte den Auftrag für ein Hundebuch Cairn- und West Highland White Terrier zu fotografieren. Sie gehören wie Skye und Scottish Terrier zu den schottischen Terrierrassen. Was lag näher, als bei meinem diesjährigen Schottlandurlaub zu versuchen, die Hunde in ihrer natürlichen Umgebung zu fotografieren. Vor meinen Augen liefen schon die schönsten Hundebilder mit romantisch-schottischem Hintergrund ab. Aber woher die Modelle nehmen? Gelegentlich sah ich in vorüberfahrenden Touristenautos die begehrten Hunde sitzen, aber vor die Linse bekam ich sie nicht. Mit den Hütehunden hatte ich es da leichter, die trifft man an jeder Ecke, und so erzählte ich meine Sorgen einem Schäfer in der Hoffnung, dass er jemanden kennt, der solche Terrier hat und vielleicht sogar noch jagdlich führt.

Sein Gesicht erhellte sich sofort, und zu meiner großen Überraschung sagte er stolz: „Ich habe auch Terrier – echte Jagdterrier!“ Na, sowas, doch als er auf den pfiffigen Dackelmischling wies, der sich auf Frauchens Schoß aalte, wurde ich misstrauisch. Mein Gastgeber schritt ums Haus und in den Hof stürmte eine Meute kleiner „Köter“, die mir den unbedachten und offensichtlich unwillkommenen Ausruf entlocken: „Auf den ersten Blick sehen sie alle aus wie Mischlinge!“ In der Tat, es waren Mischlinge, wobei man aber den feinen Unterschied zwischen einer Kreuzung und einem Mischling machen muss, auch im Englischen. Mischling ist etwas abfällig ungewollt, unnütz. Eine Kreuzung hingegen ist ein Zuchtprodukt, dem viel Überlegung und Züchterinteresse zu Grunde liegt.
Terrier zum Schutz der Lämmer
Hier hatte ich es mit etwas zu tun, das wir hier höchstens in Schäferkreisen kennen – nämlich eine Rassehundezucht, die keinen Wert auf Rasse legt. Ein Widerspruch? Nun, diese Terrier werden ausschließlich zur Fuchsjagd gezüchtet. Sie müssen todsicher arbeiten. Das kann ihnen niemand beibringen, das muss dem Hund angeboren sein. Also ist die Zuchtauswahl von ganz besonderer Bedeutung. Welche Art von Hund man braucht bestimmt die Gegend, in der sie arbeiten. Assynt liegt an der Nordwestküste Schottlands und ist ein sehr raues felsiges Land mit viel Wasser, mit dem nur die abgehärtetsten Schafe etwas anfangen können. Was aber soll ein Schäfer mit Jagdterriern? Er braucht sich für seine Arbeit ebenso wie die Hütehunde. Wenn die Lämmer geboren werden haben auch die Füchse Welpen

Öfter als den Schäfern lieb ist, fällt dem Fuchs ein Lamm zum Opfer. Tatsächlich streiten sich die Gelehrten, ob der Fuchs gesunde Lämmer tötet oder nur dabei erwischt wird, wie er sich über ein gestorbenes oder schwaches Tier hermacht. Tatsache ist, dass für den Schäfer der Fuchs ein Todfeind ist, der ihm seinen Lebensunterhalt streitig macht. Er jagt ihn nicht aus Leidenschaft oder zum Sport, auch nicht des Felles wegen, sondern er verfolgt ihn wo er kann, um seinen Bestand an Lämmern, die sein tägliches Brot bedeuten, zu schützen. Dazu braucht er die Terrier.
Feste Burgen – eiszeitliche Geröllhalden
In dem Felsengebiet können die Füchse keine Baue graben, sondern sie leben in „Cairns“ (siehe Cairn Terrier). Das sind riesige Geröllhalden. Abgestürzte Felsbrocken und kleinere Steine verkeilen sich ineinander, werden von Pflanzen überwuchert und durch die Wurzeln der Birken verankert. Zwischen und unter den Steinen finden Fuchs, Dachs und Marder idealen Lebensraum. Natürliche Höhlen und Gänge bieten den Bewohnern Schutz. Kein Mensch kann sich an den Fuchs herangraben oder alle Ausgänge verstopfen. Hier gibt es nur eine Möglichkeit Reinecke beizukommen: mit einem scharfen Terrier. Die kleinen Hunde sausen zwischen den Steinen zum Fuchs vor und töten ihn mit einem einzigen Biss. Dass der Terrier rasch und ohne lange Kampfhandlung tötet ist wichtig, denn sein Herr kann ihm nicht zu Hilfe kommen.
Einzeljäger
Mehrere Hunde gleichzeitig anzusetzen ist auch gefährlich, da sie sich eher behindern oder sogar in Kampfstimmung miteinander raufen. Ganz auf sich gestellt muss er sich dem Feind stellen und niemand weiß, ob er nicht auf einen Dachs trifft, der dem kleinen, mutigen Gesellen rasch den Garaus machen kann. Dem Herrn bleibt nur zu bangen, zu hoffen und zu horchen, was in der Trutzburg vor sich geht. Immer wieder kommt es vor, dass ein Hund nicht wiederkommt. Lebt er noch? Liegt er verletzt und hilflos tief unter den Steinen, hat er sich nur verkeilt und kann nicht vor und zurück? Ein Hund blieb tagelang verschwunden und war totgeglaubt. Da kam er abgemagert, aber gesund und munter nach Hause. Offensichtlich hatte er sich verkeilt und konnte sich, dünner geworden, nach ein paar Tagen selbst befreien. Groß ist die Freude aller, wenn das schmutz- und blutverkrustete Köpfchen aus der Felsspalte zum Vorschein kommt. Die Jäger lieben und bewundern diese waghalsigen, unerschrockenen Burschen.
Abgefangen von Lurchern
Für den Fall, dass der Fuchs den Bau verlässt – er tut es immer zum Berg hin und niemals bergab – stellen sich oberhalb des Cairns einige Helfer mit Flinten und Lurchern auf. Bei den Lurchern handelt es sich in dieser Gegend um Kreuzungen zwischen Greyhound oder Deerhound und Bedlington Terrier. Diese Hunde sind flink, stark und haben vom Bedlington Terrier die notwendige Schärfe. Sie rempeln den davonlaufenden Rotpelz einfach um und fassen ihn am Hals. Geschossen wird nur,

wenn der Hund den Fuchs verpasst, was höchst selten vorkommt. Der blitzschnelle Tod durch den sicheren Griff des Hundes, sei es durch den Terrier unter der Erde oder des Lurchers am Berg, ist sicherlich die humanste Art des Tötens und die natürlichste. Seit vielen Generationen halten die Schäfer den Bestand der Füchse auf diese Weise in Schach. Deshalb werden sie nicht weniger oder sind sogar vom Aussterben bedroht. In dieser unwirtlichen und unübersichtlichen Gegend bleibt den hübschen Räubern reichlich Lebensraum, um ungestört die Art erhalten zu können.
Working Terrier versus Show Terrier
Zurück zu den Terriern. Damit die Hunde genau das tun, was ich beschrieben habe, müssen einige Eigenschaften zusammenkommen, die durch sorgfältige Kreuzungen verschiedener Terrierschläge erreicht werden. Wenn wir an unsere fein zurechtgemachten Terrier denken, machen wir uns ein falsches Bild, denn diese haben nichts mehr bei der Arbeit am Fuchs zu suchen. Der Lakeland Terrier kommt dem Jagdterrier noch am nächsten, denn selbst erfolgreiche Ausstellungshunde konnten sich bei der Bauarbeit bewähren. Der rein jagdlich gezüchtete Lakeland Terrier hat nur noch entfernte Ähnlichkeit mit seinem schönen Bruder, denn auf Äußeres kommt es bei ihm gar nicht an. Das Haar ist kürzer und rauer. Der ganze Hund ist derber. Ihm ähnlich ist der Fell Terrier, ein schwarzer, kleiner Teufel. Beide Rassen haben den Ruf lautlos und rasch zu töten. Es sind Kämpfer ohne gleichen, schmerzunempfindlich und kompromisslos. Mein Gastgeber besaß zwei Rüden, einen Lakeland und einen Fell. Er musste sie getrennt halten, weil sie sich hassten. Doch irgendwie konnten sie sich aus ihren Zwingern befreien. Am Abend fand er drei tote Hunde vor. Die beiden Rüden hatten eine sich offenbar einmischende Collie Hündin umgebracht und sich dann selbst zu Tode gerauft.

Treiben oder töten
Ein wenig Sanftmut und hervorragende Nase bringt die Kreuzung mit dem Jack Russell Terrier, der in England gezüchtet wird, um die Füchse unverletzt aus dem Bau zu treiben, damit die Fuchsjagd hoch zu Ross fortgesetzt werden kann, sollte sich Reinecke erdreistet haben in einen Bau zu verschwinden. Der Jack Russell Terrier saust kläffend unter die Erde. Er soll den Fuchs hinaustreiben, aber nicht verletzen oder gar töten. Im Cairn allerdings darf ein Hund nicht kläffen. Dort muss er zupacken. Die Jack Russell unseres Schäfers beherrschten allerdings alle einen todsicheren Griff. Nur die beiden Hündinnen eines kleinen Schlages gehen nicht auf Füchse sondern auf Marder. Bei Frauchens Schmuser war die Kreuzung besonders gut gelungen. Sein Vater war der inzwischen tote rote Lakeland, seine Mutter eine weiße Jack Russell Hündin – vom Dackel, keine Spur. Man hatte hier übrigens keine Ahnung, dass auch Dackel den Fuchs meistern. Buzzer hatte schon einige Füchse und auf dem Gewissen, was man dem lieben Kerlchen gar nicht zutraut.

Freundlich, aktiv und gehorsam
Auch die anderen Terrier waren sehr freundlich und lieb, doch immer Nase am Boden, immer auf der Hut, immer aktiv. Es dauerte nur Minuten, da mussten die ersten Mäuse dran glauben. Plötzlich sausten alle Hunde davon. Der Otter war heute früh den Bach hinuntergekommen und seine Spur stach den Hunden noch immer in die Nase. Otter sind streng geschützt. Ein Pfiff ruft die wilden Quirle zurück. Im nahegelegenen Cairn suchen sie vergebens jedes Loch, jede Spalte ab. Hier war schon lange kein Fuchs mehr. Wir hatten absichtlich diesen Bau gewählt, denn an einem bewohnten Cairn hätte ich keine Gelegenheit zum Fotografieren gehabt. Die eifrigen Vierbeiner wären blitzschnell vom Erdboden verschluckt gewesen, und eigentlich legte ich auch gar keinen Wert darauf, den Kampf zwischen Hund und Fuchs zu erleben. Vielleicht wäre einer der kleinen, liebenswerten Kobolde auf einen streitbaren Gegner gestoßen und nicht mehr ans Tageslicht zurückgekehrt.
Die Situation in Großbritannien heute
Seit 2004 ist die Fuchsjagd verboten. Unter Ausnahmen finden wir bei „Terrier Work“: Die Arbeit mit Terriern, bei denen die Hunde eingesetzt werden um Füchse zu finden und aus dem Untergrund zu treiben, wenn es dem Schutz des Eigentums oder Schadensvermeidung dient und nicht als Sport gedacht ist. Der Einsatz von Terriern, um Füchse zu hetzen, zu bekämpfen oder zu töten bleibt illegal.“
Es dürfen nur Terrier eingesetzt werden, die austreiben und nicht töten. Der ausgetriebene Fuchs wird danach im offenen Gelände erschossen. Als guten Grund für die Erlaubnis gilt der Schutz von Vögeln, die zur Jagd gedacht sind (Fasane, Moorhühner etc.). Siehe Hunting Act 2004
Fotos und Copyright Eva-Maria Krämer
Geflügelbörse vom 2 1986