Kynologische Rückblicke – Die Bordeaux Dogge

Meine Begegnung mit den ersten Bordeaux-Doggen war beeindruckend. Sie machten wunderbar mit und ermöglichten schöne Fotos. Die Besitzer berichteten jedoch, dass die Rasse sehr krank sei. Fast alle Hunde haben Hüftgelenksdysplasie und werden nicht alt! Sie schienen ziemlich ratlos, obwohl sie sich mit der Zucht sehr viel Mühe machten. 

Damals war die Einstellung zum Hund anders als heute. Zwingerhaltung war üblich und der Schutzhund hatte eine große Bedeutung. Die Schutzhundeausbildung war die einzige Möglichkeit, Hundeschulen im heutigen Sinne gab es nicht. Es wurde kaum Wert auf einen sozialverträglichen Hund gelegt, man war es gewohnt, dass sich fremde Hunde nicht mögen! Inzwischen wurde die Bordeaux-Dogge durchs Fernsehen bekannt und fast schon populär. Dann kamen ab 2000 die Hundeverordnungen. 2022 wurden nur 95 Welpen im VDH eingetragen. 

Ich selbst habe keine großen Sorgen, wenn mir eine Bordeaux-Dogge begegnet, aber ich vermeide Hundekontakt und gehe meiner Wege mit meinen Rüden. In meiner Familie lebten einige Bordeaux-Doggen, die sehr geliebt wurden, aber sicher eingezäunt lebten.   

Bordeaux-Doggen haben Vergangenheit

Geflügel-Börse 24/1982

Die Doggen gehören zu den ältesten Hunderassen. Schwere Hunde mit mächtigen Köpfen und relativ kurzen Nasen wurden schon vor Jahrtausenden in Stein verewigt. Die alten Assyrer ließen sich stolz mit ihren eindrucksvollen Kampfhunden abbilden.

Diese starken Hunde dürften in antiken Kriegen eine gefürchtete Waffe gewesen sein. Außerdem waren sie bei der Jagd auf Großwild unentbehrlich, denn die mutigen Hunde schreckten vor keinem noch so wilden Stier, Löwen oder Eber zurück. Noch im Mittelalter wurden die doggenartigen Hunde als sogenannte Saupacker häufig abgebildet. In der Antike waren Kämpfe Hund gegen Mensch oder Hund gegen Bären, Raubkatzen und andere wilde Tiere ein regelrechtes Volksvergnügen. Selbst im vorigen Jahrhundert noch amüsierte man sich auf Jahrmärkten oder eigens abgehaltenen Veranstaltungen bei diesem blutigen „Sport“. 

Als die Tierkämpfe endlich verboten wurden, schien auch das Schicksal der Kampfhunde besiegelt zu sein. Doch in den letzten Jahren erfreuen sich die großen Doggenrassen wachsender Beliebtheit. Rassen, die längst als ausgestorben galten, wurden wiederentdeckt, andere neu gezüchtet. Wer hätte sich träumen lassen, dass wir in Deutschland Tibet-Mastiffs zu sehen bekommen würden? Oder wer hat vor 10-15 Jahren je etwas von einem Mastino Napoletano gehört? Wer kannte den japanischen Tosa oder aus Brasilien den Fila, den Dogo Argentino, den Mastin Espanol? Sie alle haben in Deutschland Züchter gefunden. So auch die Bordeaux-Dogge.

Liebevoller Hausgenosse – zuverlässiger Beschützer

Offenbar werden die schutzbedürftigen Menschen immer mehr. Viel Geld ließe sich verdienen, würde man Mastinos als sichere Waffe gegen Entführungen groß in der Presse anbieten. Doch längst nicht jeder, der einen zuverlässigen Wach-und Schutzhund sucht, möchte sich mit einem gefährlichen, kaum zu zügelndem Hund herumplagen, den er keine Minute ohne Aufsicht lassen kann, der stets sicher verwahrt sein muss, um kein Unheil anzurichten; sei es einem harmlosen Nachbarn oder Passanten oder vorbeikommenden Hund gegenüber. Wer einen wirklich unbestechlichen Schutzhund sucht, der ihm trotzdem ein liebevoller Hausgenosse in der Familie mit kleinen Kindern sein soll, der sollte sich die Bordeaux-Dogge näher betrachten. 

Herkunft ungewiss

Sie stammt, wie der Name verrät, aus Südfrankreich. Ihre genaue Herkunft ist ungewiss, und ab sie nun der Vorfahre des English Mastiffs ist oder dieser aufs Festland kam und dort der Ahnherr der Bordeaux-Dogge wurde oder ob der legendäre Alano Spaniens Pate stand, ist ungewiss. Es ist jedoch anzunehmen, dass die Bordeaux-Dogge letztlich auf die römischen Kampfhunde zurückgeht, die ihrerseits von der Tibet-Dogge abstammen sollen.

Glücklicherweise fanden sich noch ein paar Liebhaber, die die Bordeaux-Dogge bis heute nicht untergehen ließen. Doch auch heute noch ist sie eine Rarität, selbst in Frankreich. Dabei kann man sich einen angenehmeren Hausgenossen kaum vorstellen.

Inzwischen hat sich ihr Äußeres verändert. Wie man anhand der alten Abbildungen von Kampfhunden des letzten Jahrhunderts sehen kann, wurde der ganze Hund gedrungener, der Kopf massiger und faltenreicher und die Ohren nicht mehr kupiert. Sicherlich suchte man nun einen weniger angriffslustigen Hund und bevorzugte bei der Zucht die ruhigen und friedlicheren Exemplare. Heute ist die Bordeaux-Dogge eine ausgeglichene Hundepersönlichkeit mit einem bemerkenswerten Feingefühl für das Empfinden ihres Herrn. Sie ist liebevoll und zärtlich.

Verteidigungsbereit im Ernstfall

Eine herausragende Eigenschaft ist ihre Zuverlässigkeit Kindern gegenüber, denen sie sich voller Geduld und Hingabe widmet. Auch an fremden Kindern würde sie sich nie vergreifen. Erwachsene, die ohne böse Absicht auf das Grundstück kommen, brauchen sich vor der Bordeaux-Dogge nicht zu fürchten. Andererseits spürt sie ganz genau, wenn Herrchen oder Frauchen sich bedroht fühlen und geht sofort in Abwehrstellung. Sie warnt deutlich, wenn ihr jemand nicht willkommen ist – und wer möchte sich schon mit der grimmig dreinschauenden, knurrenden Bordeaux-Dogge mit gesträubtem Nackenfell einlassen? Man braucht als Hundebesitzer keine Sorge zu haben, denn der sehr sensible Hund setzt seine Kraft und seinen Mut nur dann ein, wenn es ernsthaft nötig ist. Dann jedoch ist die Bordeaux-Dogge ein furchtbarer Gegner, der kein Erbarmen kennt. Neben dem Mastino soll sie das kräftigste Gebiss besitzen und kann sogar einem erwachsenen Mann glatt den Arm durchbeißen.

Erziehung mit liebevoller Konsequenz

Die Bordeaux-Dogge ist ein ausgesprochener Einmannhund. Sie ist zwar allen Familienmitgliedern zugetan, erkennt aber nur einen Herrn wirklich an. Bei gemächlichem Temperament ist dieser starke Hund ein wenig stur und eigensinnig. Er lernt zwar alle Übungen, die ein guter Hausgenosse beherrschen muss wie Sitz, Fuß und Platz, aber zum Hundesport ist er absolut nicht geeignet. Das geht ihm alles zu schnell und militärisch. Und wenn er etwas nicht will, dann ist daran kaum etwas zu ändern.

Schon bei den entzückenden, sorgenfaltigen Welpen muss die Erziehung mit liebevoller Konsequenz beginnen. Der Herr muss sich stets als Rudelführer behaupten, dann gehorcht die Bordeaux-Dogge aufs Wort, auch wenn sie es damit nie besonders eilig hat.

Bordeaux-Dogge 2002

Rüden sind in der Regel schwieriger als Hündinnen, sie legen es schon eher darauf an, sich beim Kampf um die Rangordnung innerhalb der Familie durchzusetzen. Eine starke Hand ist hier unerlässlich. Außerdem geht ein selbstsicherer Bordeaux-Doggen-Rüde keiner Rauferei aus dem Wege; wer den Rüden nicht fest in der Gewalt hat, wird sich in Hundehalterkreisen rasch unbeliebt machen, da kein Hund, mit Ausnahme vielleicht eines Mastino, eine Chance zum Überleben hat.

Familienanschluss notwendig

Für einen Anfänger ist diese Rasse daher nur bedingt empfehlenswert, weil der Hund einerseits sehr selbstsicher, andererseits sehr feinfühlig ist und einen Herrn mit viel „Hundeverstand“ braucht. Auch sollte man diesen empfindsamen Koloss nie im Zwinger halten. Ohne Kontakt zur Familie verliert sich die Beziehung zwischen Hund und Herrn. Die Bordeaux-Dogge wird unberechenbar und launisch, ja unter Umständen sogar gefährlich. Es gibt aber auch keinen Grund, um sie in den Zwinger zu verbannen, denn mit dem kurzen Stockhaar ist sie immer sauber und im Hause ruhig und angenehm, nie aufdringlich. Auch im Futter ist sie für ihre Größe recht bescheiden. In der Regel sind Bordeaux-Doggen eher schlechte Fresser. Sie begnügen sich, wie jeder Hund, mit Fertigfutter und Frischfleisch; etwa 5 DM pro Tag sollte man ansetzen.

Kein Hund für Wandervögel

Keinesfalls ist die Bordeaux-Dogge ein Hund für Wandervögel. Gut, sie geht gern mit spazieren, so ein bis zwei Kilometer, aber am Fahrrad längere Strecken zu traben ist ihr ein Graus. Bei warmem Wetter zieht sie sich lieber in den Schatten zurück. Ihr genügt es, mehrmals am Tag für die dringenden Geschäfte ausgeführt zu werden. Damit ist ihr Laufbedürfnis auch schon gedeckt. Ein Hund für Lauffaule sozusagen. Jagdtrieb kennt sie nicht; es ist ihr viel zu mühsam, hoffnungslos hinter einem Stück Wild herzulaufen.

Bordeaux-Dogge 2023

Schwierige Zucht – teure Welpen

Wer sich diesen liebenswürdigen und zuverlässigen Hund anschaffen möchte, muss tief in die Tasche greifen. 2000 DM kostet ein Welpe, denn es gibt nur wenige Züchter, und die Zucht ist schwierig. Nicht jeder geplante Wurf kommt zustande, weil noch längst nicht jeder von Herrchen ausgewählte Freier mit der Braut einverstanden ist. Bei der Seltenheit der Rasse sind für den Hündinnenbesitzer große Kosten mit einem Wurf verbunden. Er muss von einem Land ins andere reisen, um einen passenden Vater zu finden. Oft bekommt die Hündin dann nur wenige Welpen oder ist gar nur scheinträchtig.

Außerdem brauchen die Jungtiere solch kräftiger Rassen bestes Futter in großen Mengen, was die Aufzucht, sollen die Hunde später gesund und stattlich sein, sehr kostspielig macht. Immerhin erreicht ein ausgewachsener Rüde eine Größe von fast 70 cm Schulterhöhe bei einem Gewicht von ca. 60-70 kg.

Ganz sicher ist die Bordeaux-Dogge kein Hund für Jedermann. Sie gehört in Familien, die einen zuverlässigen Schutzhund, liebevollen Freund der Kinder und unkomplizierten Hausgenossen suchen. Sie fühlt sich wohl bei Leuten, die ihren Hund lieben und bestens pflegen. Eine Bordeaux-Dogge ist ein vollwertiges Familienmitglied, das man nicht herumkommandieren kann, das nicht ständig beschäftigt werden will, sondern Tag und Nacht Sorge dafür trägt, dass ihren Schützlingen nichts Böses geschieht. 

Foto und Text Copyright Eva-Maria Krämer

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