Hirtenhund aus Jugoslawien
1976 war das eine meiner ersten hautnahen Begegnungen mit einem Herdenschutzhund. Bei meinem Besuch für die Reportage lernte ich die Hunde in ihrem häuslichen Umfeld kennen und war sehr beeindruckt von dem stattlichen Rüden DON. Frau Ostertag, die stolze Besitzerin berichtete sehr offen über die wesentlichen Dinge, die bei dieser Rasse zu beachten sind. Das Thema Herdenschutzhund spielte überhaupt keine Rolle und man unterschied oft in kynologischen Kreisen nicht einmal zwischen Hüte-und Herdenschutzhund. Wohl war damals der Hund als Wach-und Schutzhund eher eine Selbstverständlichkeit als heute. Ich erinnere mich sehr gut, wie mir Frau Ostertag einschärfte, im Beisein der Hunde nur ja nicht aufzustehen und irgendwo im Zimmer herumzulaufen, wenn sie gerade nicht im Raum waren. Ansonsten schienen mir die Hunde freundlich, wenig Notiz von mir nehmend. Doch wies Frau Ostertag ausdrücklich darauf hin, dass die Hunde blitzschnell und für den Laien scheinbar unerwartet auf Angriff umschalten können. Ebenso, dass die Hunde Spätentwickler sind, zunächst problemlos erscheinen, dann aber bei voller Reife von einem Tag auf den anderen das typische Verhalten zeigen. Die Kinderfreundlichkeit sehe ich immer kritisch. Aber sie wird mir von den Besitzern auch anderer Hirtenhundrassen bestätigt. Sie ist sogar in manchem Rassestandard festgeschrieben. Dazu muss man sagen, Hunde, die den Kindern einer dörflichen Gemeinschaft zur Gefahr würden, überleben dort nicht. Aber die Kinder lernen auch einen respektvollen Umgang mit den Hunden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder von außerhalb in die Familien zum Spielen kommen, ist in den abgelegenen Regionen eher nicht gegeben. Deshalb dürfen die Aussagen zur Kinderfreundlichkeit nicht als Freifahrschein gesehen werden, die Hunde unbeaufsichtigt mit den Kindern zusammen zu lassen.
Hier nun die Geschichte aus der Geflügelbörse Nr. 8/1980
Der Sarplaninac
Frau Ostertag suchte für ihr einsam gelegenes Haus mit großem Grundstück einen zuverlässigen Wachhund. Ein befreundeter Jugoslawe hörte davon und begann, von seinem Nationalhund zu schwärmen. Er schilderte ihn mit Stolz und Begeisterung, bis auch Frau Ostertags Interesse zunehmend wuchs. 1970 kam „Merima“ unter schwierigsten Umständen und Umwegen nach Deutschland, denn der Export war verboten. Sie war ca. drei Monate alt, blond mit schwarzem Gesicht, mißtrauisch allen Fremden gegenüber. „Merima“ stellte Frau Ostertag vor echte Erziehungsprobleme, die sie veranlassten, sich intensiver mit der Rasse zu beschäftigen.
Hirtenhund aus dem Land der Skipetaren
Der Sarplaninac ist ein Abkömmling des antiken Kampfhundes – der Molosser und der großen langhaarigen Tibet-Dogge. In den abgelegenen Tälern des Schar-und Bistra-Gebirges, im Land der Skipetaren, entwickelten sich im Laufe der Jahrtausende relativ einheitliche Hundetypen, die 1936 zunächst allgemein als „Illyrischer Schäferhund“ anerkannt wurden. Da kaum fremde Hunde in diese Täler kamen, besaß jedes Tal seinen eigenen, etwas unterschiedlichen Typ. 1956 wurde der Sarplaninac als separate Rasse offiziell eingetragen.
Die Hirten legten wenig Wer auf ein äußeres Erscheinungsbild, sie brauchten einen behenden, ausdauernden, harten und anspruchslosen Hund, der unerschrocken und ohne Zögern den Kampf mit dem Wolf oder anderen Feinden der Herden und des Eigentums des Herrn aufnimmt. Heute noch züchten sie die Hunde nach uralter Tradition. Nur die beste Hündin des Dorfes darf mit einem ausgesuchten Rüden zur Zucht verwendet werden. Aus dem Wurf werden die drei besten Welpen belassen, was zu der irrigen Annahme führte, dass nicht mehr als drei Welpen geboren würden.
Strenge Zucht
Das Militär entdeckte die herrlichen Hirtenhunde und fand, dass sie sich für ihre Zwecke hervorragend eigneten. Von diesem Zeitpunkt an wird der Sarplaninac planmäßig unter strenger Aufsicht des jugoslawischen Hundeverbandes gezüchtet. Keine Paarung darf ohne die ausdrückliche Genehmigungdes Verbandes durchgeführt werden, und alle Zuchttiere müssen eine Röntgenuntersuchung auf Hüftgelenksdysplasie vorweisen. Hunde mit schweren körperlichen Mängeln, scheckiger Zeichnung, Gebißfehlern usw. werden aus der Zucht ausgeschlossen. Der schönste Hund darf nicht zur Zucht verwendet werden, wenn er auch nur „augenscheinliche Abweichungen vom Charakter und Temperament aufweist“, wie es wörtlich in den Zuchtbestimmungen heißt.
Ausgeprägte Persönlichkeit
Frau Ostertag hatte eine Rasse „gewählt“, die unverbildet und vom Trend „Rassehunde-Hochzucht“ noch nicht dahingehend geformt war, dass sie in Laienhand in jeder Etagenwohnung zu halten ist. „Merima“ erwies sich als eine ausgeprägte Persönlichkeit, die unberechtigte Härte nie vergißt, die mit viel Geduld und Liebe erzogen werden musste. Einmal Gelerntes führen die Sarplaninac stets zuverlässig und freudig aus.
Sie bellen viel, weil sie, wie es sich für einen Hirtenhund gehört, alles melden, das sich in der näheren Umgebung rührt. Betritt ein Fremder das Grundstück, greift der Sarplaninac ohne Vorwarnung sofort an, was bei einem Hund von 70 cm Schulterhöhe und 40 kg Gewicht stets gefährlich ist. Darum gehört der Sarplaninac nur in die Hände erfahrener Hundeleute, die ihn sorgfältig erziehen und lenken können.
Verführerisch schön ist der langstockhaarige, harmonisch gebaute Hund mit der schwarzen Gesichtsmaske und dem für seine Größe und Gewicht erstaunlich eleganten und leichten Gangwerk. Pflege brauchen sie praktisch keine, nur zum Haarwechsel kämmt man die Hunde gründlich aus. Ein ausgewachsenes Exemplar benötigt ca. 2 kg Futter am Tag.
Für ein Leben auf dem Bauernhof
Die Hunde brauchen die Liebe ihres Herrn und engen Kontakt mit der Familie, der sie treu ergeben sind. Den Kindern sind sie ein lammfrommer, liebevoller Spielkamerad, der nie ungeduldig wird, sondern höchstens seinen Platz wechselt, wenn sie es gar zu toll mit ihm treiben. Als Begleiter der Kinder auf Spaziergängen ist er weniger zu empfehlen. Er ist anderen Hunden gegenüber sehr aggressiv und könnte Situationen falsch verstehen und evtl. auch Menschen angreifen. Im Haus ist er ruhig, man spürt ihn kaum, im Freien ist er ausgelassen und temperamentvoll. Am besten eignet er sich für ein Leben auf dem Bauernhof, wo es Menschen und Tiere zu hüten und tatkräftig zu schützen gilt. Kommen Gäste, muss man sie dem Sarplaninac vorstellen. Er wird sie dulden und stets misstrauisch im Auge behalten, aber nicht belästigen.
Da Sarplaninac angeblich nur zwei bis drei Welpen werden, entschloß sich Frau Ostertag, mit „Merima“ zu züchten, denn sie hätte gerne einen zweiten Hund gehabt. Auch der Besitzer des Rüden, der damals mitgekommen war, wollte ein Jungtier. 10 gesunde, kräftige Welpen waren eine riesige Überraschung! Wie sollte man nun eine so unbekannte Rasse verkaufen?
Kein Hund für Jedermann
Glücklicherweise hatte man Beziehungen zu einer exklusiven Gesellschaftszeitschrift, die einen Artikel mit Fotos brachte. Von nun an stand das Telefon nicht still. Es meldeten sich viele Leute, die einen extravaganten und suchten, immerhin soll Tito drei davon besessen haben. Aber es waren auch einige wirkliche Hundefreunde dabei, die einen zuverlässigen Schutzhund suchten. Frau Ostertag wählte die Käufer mit Bedacht aus. Nur solche mit großem Grundstück und die bereit waren, die Eigenschaften dieser Rasse voll zu akzeptieren, hatten eine Chance. Trotzdem blieben 12 feste Vorbestellungen für den nächste Wurf, der leider nicht zustande kam. So entschloß sich Frau Ostertag, Welpen aus Jugoslawien zu importieren, was inzwischen ohne Schwierigkeiten möglich war. Wunderschöne Exemplare aus verschiedenen Zuchten gelangten nach Deutschland.
Frau Ostertags Enthusiasmus, die Rasse in Deutschland bekannt zu machen verflog, als die Welpen erwachsen waren. Zu oft hörte sie, dass die ihr lieb gewordenen Hunde weitergereicht worden waren, weil die Käufer ihre Ausführungen offensichtlich in den Wind geschlagen hatten. Einen erwachsenen und mangelhaft erzogenen Sarplaninac in fremde Hände zu geben ist äußerst schwierig, und einige Hunde landeren schließlich im Tierheim. Der Reiz, einen Hund zu besitzen, den sonst keiner hat, bewegt oft Menschen zur Hundehaltung, die sich nicht dafür eignen. Die Hunde müssen die Unvernunft ihrer Besitzer dann büßen!
Inzwischen gibt es in Deutschland einen beim Verband für das deutsche Hundewesen eingetragenen Verein, der sich dieser Rasse widmet.
Copyright Text und Foto Eva-Maria Krämer
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