„Nackte“ Hunde stoßen im Allgemeinen auf Unverständnis bei der Bevölkerung. Warum gerade „nackte Affen“ so reagieren habe ich nie so recht verstanden. Ich war einfach nur neugierig und nachdem ich meinen ersten „Scholo“ erlebt hatte, war ich verliebt. Ich meine es waren die ersten Scholos in Deutschland, die mich 1980 nach Hamburg zu Joachim Weinberg führten. Er war ein berühmter Balletttänzer an der Hamburger Staatsoper, der in der ganzen Welt in den größten Häusern auftrat und ein großer Hundefreund. Er lernte viele Menschen und kuriose Hunde kennen. Von Hause aus besaß er Whippets, aber er hatte sich den Exoten verschrieben und importierte Chihuahuas, die man kaum in Deutschland kannte, ebenso die Chinese Crested und Inca Orchid dogs (Peruanische Nackthunde) und der Besuch bei ihm war ein El Dorado für mich in meinen kynologischen Anfängen.
Die beiden Scholos (der Name wird Scholo ietz kwintli gesprochen und die Hunde liebevoll Scholos von ihren Besitzern genannt) kamen extra meinetwegen. Joachim Weinberg hatte die Hunde an eine Freundin vermittelt, aber es stellte sich heraus, dass sie nicht ausreichend Zeit für sie hatte, und so war ihr Betreuer angereist. Er war total begeistert von den Hunden, liebte sie über alles und war sehr betrübt, dass sie verkauft werden sollten. Mir brach es das Herz, ich hätte Anja sofort mitgenommen. So eine elegante, nette Hündin, heute noch denke ich, was wäre aus mir geworden, wenn ich sie übernommen hätte? Aber auf meine Nachfrage hin stand ein Preis von 3.000 DM im Raum, und das konnte ich mir auf keinen Fall leisten. Was aus den beiden wurde, weiß ich nicht. Vergessen werde ich Anja aber nie.
Hier nun meine Reportage aus DAS TIER vom Dezember 1980.
Ein vierbeiniger Zungenbrecher: Der Xoloitzcuintle
Schon viele eigenartige Hunde sind mir im Laufe meines Lebens begegnet: lebhafte und schwerfällige, kurznasige, langschädelige, vorbeißende, überdrehte und hochtrabende Rassehunde, dem Urhund ähnliche und unnötige Ausgeburten der menschlichen Züchterfantasie. Den Xolo einzuordnen fiel mir schwer, solange ich ihn nur von einigen – nicht gerade vorteilhaften – Aufnahmen her kannte. Auch die wissenschaftlichen Berichte, die ich gelesen hatte, ließen den Hund nicht gerade im besten Licht erscheinen.
Doch dann sah ich bei Bekannten „Anja“. Aus aufmerksamen, freundlichen Mandelaugen blickte sie mich an – und schon war es um mich geschehen.
Der Xoloitzcuintle gehört zu den ältesten und seltensten Hunderassen der Welt. Er soll bereits die ersten Siedler Nordamerikas auf ihrem Weg über die Beringsee begleitet haben. Xolo-ähnliche Tonfigürchen fand man als Grabbeigaben aus der Zeit um 1500 v. Chr. Die Keramikhündchen aus der Colima-Kultur Westmexikos (300 bis 900 n.Chr.) waren den Toten als Sinnbilder für Begleiter und Wegzehrung mitgegeben worden. Die Spanier berichteten nach ihrem Überfall auf das Azteken-Reich über Hunde ohne Fell, die auf den Märkten von Tenochtitlan verkauft wurden.
Die Azteken züchteten die Xolos als Heimtiere, Bettwärmer und Opfergaben. Gemästet galten sie als Leckerbissen, den auch die Spanier nicht verschmähten. Hemmungslos schlachteten sie die von den Azteken sorgfältig gepflegte Zucht ab. Nur in abgelegenen Gegenden überlebten einige Xolos und gerieten in Vergessenheit.
Erst vor etwa 30 Jahren begann der mexikanische Züchterverband die letzten Überlebenden ausfindig zu machen und weiter zu züchten. Bis heute sind 100 Hunde dieser außergewöhnlichen Hunde erfasst. Es ist aber sicher, dass im Hinterland noch mehrere reinrassige Xolos vorhanden sind. Heute gilt er in Mexiko als Nationalhund und wurde auf Gemälden des bekannten Diego Rivera und anderer mexikanischer Künstler verewigt. Unter der Landbevölkerung genießt er noch heute das Ansehen, dessen er sich schon vor Kolumbus erfreut hatte. Er soll nämlich vor zahlreichen Erkrankungen schützen und sie sogar heilen können, von leichten Erkältungen bis hin zum Rheumatismus. Noch immer werden Xolos gerne als Bettwärmer benutzt. Ihre haarlose Haut fühlt sich nämlich wohltuend warm an. Wo dieser seltene Hund auftaucht, gewinnt er rasch Bewunderer und Freunde. Mit einer Schulterhöhe von etwa 50 Zentimeter ist er klein genug um sich in eine Sofaecke zu kuscheln, doch auch wieder so groß, dass er Haus und Hof bewachen kann. Sein anmutiges Äußeres ergänzt sein liebenswertes und bezauberndes Wesen. Fremden gegenüber ist der Xolo oft freundlich, aber niemals drängt er sich auf. Erwachsene Hunde sind sehr ruhig und bellen kaum. Wenn sie herausgefordert werden, heulen oder knurren sie. Auch sonst ist der Xolo eher auf Verteidigung als auf Angriff bedacht, Rauflust liegt ihm fern. Seinem Herrn ist er treu ergeben und macht ihm durch seine Gelehrigkeit und Folgsamkeit viel Freude. Er liebt ausgedehnte Spaziergänge, geht aber als anhänglicher Hund keine eigenen Wege. Wildfährten lässt er links liegen. Obwohl fast völlig haarlos, trotzt er jedem Wetter. Solange er sich bewegt, machen ihm Schnee, Regen und Kälte nichts aus.
Das Fehlen eines Felles erleichtert natürlich auch die Pflege. Kämmen und Bürsten entfallen, dafür wird gelegentlich die Haut eingeölt, um sie geschmeidig zu halten. Da er wie der Mensch einen Sonnenbrand bekommen kann, ist es nötig, ihn im Frühjahr erst allmählich an die Sonne zu gewöhnen. Ansonsten bietet seine Nacktheit nur Vorteile. Der saubere Hund riecht nicht, Ungeziefer meidet ihn. Außerdem können ihn Menschen halten, die überempfindlich gegen Hundehaare sind. In Deutschland gibt es derzeit nur vier Xolos. Doch ich bin sicher, diese Hunderasse wird ihren Weg auch bei uns machen.
Copyright Text und Fotos: Eva-Maria Krämer
Information:
Der Xolo kommt in drei Größen vor. Insgesamt wurden 2022 16 Tiere im VDH eingetragen. Als haarlose Rasse kam er über das neue Tierschutzgesetz in Bedrängnis, das haarlose Hunde in die so genannte Qualzucht einreiht. Außerdem neigen diese haarlosen Hunde zu früh ausbrechenden Zähnen, was ebenfalls als tierschutzrelevant angesehen wird. Da das Tierschutzgesetz derzeit überarbeitet wird, möchte ich mich eines Kommentars enthalten.
Damals war noch keine Rede von behaarten Xolos. Man lernte jedoch im Laufe der Jahre, dass zur Gesunderhaltung der Zucht auf die langhaarigen Hunde nicht verzichtet werden kann, die hin und wieder in haarlosen Würfen geboren werden, und erlaubt nun, dass sie in die Zucht eingebracht werden dürfen, jedoch als solche nicht gezüchtet werden.
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