Kynologische Rückblicke… Australian Shepherd

Ich habe viel Pionierarbeit geleistet und so manch‘ unbekannte und nicht anerkannte Rasse wurde später anerkannt und manchmal sogar populär. Aber keine machte eine Karriere wie der Aussie. Anfang der 1980er Jahre kostete es mich viel Mühe Hunde zu finden. Ich weiß nicht mehr wie, aber ich durfte Pferdeleute im Bergischen Land besuchen, die mit zu den ersten gehörten, die Aussies züchteten. Wie ich das empfunden habe, lesen Sie in meiner Reportage. Was daraus wurde ist bekannt… durch die immense Popularität wurde wild gezüchtet, oft genug nur um eine schnelle Mark zu machen. Entsprechend ließ der gute Ruf, den die ersten Hunde erarbeitet hatten, rasch zu wünschen übrig. Der Aussie ist kein einfacher Hund und bedarf sorgfältiger Zucht, will man wenig Ärger haben. Er stellt Ansprüche, und wenn er unbedacht angeschafft, nie ausgelastet und mit Aufgaben betreut wurde, entpuppt er sich rasch zum „Problemhund“. Das generelle Loblied auf den tollen Familienhund würde ich heute nicht mehr uneingeschränkt singen.

Nicht mehr aktuell ist meine Bemerkung zu den gekürzten Ruten. Inzwischen ist das Kürzen der Ruten längst verboten und die meisten Aussies erfreuen sich einer langen, buschigen Rute. Was mich aber immer wieder erstaunt ist, dass auf großen internationalen Hundeausstellungen oft die spektakulär präsentierten Aussies die Besten der Hütehunde und Besten der Schau gewinnen, aber alle, die ich gesehen habe, rutenlos waren! Ich frage mich, wie kann das sein? Stummelruten oder gar keine Ruten sind ein anatomischer Defekt und dürfen nicht gezielt gezüchtet werden. Es handelt sich um eine Degeneration der Wirbelsäule und nicht nur um ein fehlendes, „nutzloses“ Anhängsel. 

Inzwischen ist der Australian Shepherd seit dem 21.5.2007 international von der FCI anerkannt. Es gibt Rassezuchtvereine und gut ausgebildete Züchter, aber es werden immer noch sehr viele Welpen „auf Bauernhöfen“ oder „privat“ aufgezogen, so dass man beim Kauf eines Aussiewelpen sehr genau hinschauen muss, wie sich die Zuchttiere verhalten und wie sorgfältig die Welpen aufgezogen werden, will man ein Hundeleben lang Freude haben. 

Ein Hinweis zu dem Foto mit den 4 Monate alten Welpen. Vermutlich ist der 3. von links, der red white merle ein sog. Weißtiger, wie er aus der Verpaarung von zwei merlefarbenen Tieren geboren werden kann. Die Mutter war blue merle, den Vater habe ich nicht gesehen. Es ist per Tierschutzgesetz verboten, zwei merle Tiere zu verpaaren, weil diese sog. Weißtiger oft defekte Augen haben und/oder taub sind. Heute ist diese Tatsache allgemein bekannt in Hundekreisen, dennoch erlebe ich immer wieder white merle Aussies, die tatsächlich taub oder blind oder beides sind. AUGEN AUF BEIM HUNDEKAUF!!

Hier nun meine Reportage aus der HUNDEWELT vom Juni 1986:

Paradox ist, wenn ein australischer Schäferhund aus Amerika kommt. Tatsächlich gibt es in Australien zwar viele Schäferhunde, aber keinen, der die Rassebezeichnung Australian Shepherd trägt. Die Entwicklungsgeschichte dieses in den USA überaus beliebten Hundes dürfte einmalig sein. 

Viele verschiedene Ahnen…

Europäische Einwanderer nahmen nach Australien ihre Hunde mit. Im Falle englischer Farmer und Schafzüchter waren es Collietypen, die mit dem Dingo verkreuzt wurden. Aus diesen Kreuzungen entwickelten sich in Australien heute sehr nützliche Hütehunderassen. Als mit der Besiedlung Amerikas Vieh und Schafe in die Neue Welt gebracht wurden, kamen natürlich die dazugehörigen Schäferhunde mit. Im 16. Jh. schon wurden große Schafherden von den Spaniern nach Neumexiko verschifft. Im 19. Jh. zogen viele Basken in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, um eine glücklichere Zukunft zu finden. Sie sind von Hause aus Schafzüchter, und der Pyrenäenschäferhund mit kurzbehaartem Fang ähnelt durchaus dem Australian Shepherd. Die vielen Schotten, die im 18. Jh. ihre Heimat verlassen mußten, hatten selbstverständlich ihre Collies bei Fuß. Überall, wo in den USA Schaf- und Viehzucht betrieben wurde, waren die flinken, kleinen Schäferhunde unentbehrlich. Auf ihren langen Zügen zu den Märkten trafen sich die Schafzüchter und tauschten und verpaarten ihre Hunde untereinander, jeder um das beste Tier wetteifernd. 

Anfang dieses Jahrhunderts importierten die Amerikaner erstklassige australische Schafe, um ihre eigenen Zuchten zu verbessern. In ihrer Begleitung befanden sich die CoIlie-Dingomischlinge, die Erstaunliches bei der Herde zu leisten vermochten. Kein Wunder, daß die Schäfer die Blutauffrischung für ihre Hunde ebenso gerne wahrnahmen wie bei den Schafen, und der legendäre Ruf „der Aussies“ (allgemein spaßiger Kurzname für Australier) blieb der Nachkommenschaft in der Bezeichnung Australian Shepherd erhalten. 

Steile Karriere vom Showstar zum Familienbegleiter

Verständlicherweise war es eine bunte Reihe von Hunden, die diesen Namen trug, und erst nach 1945 kristallisierte sich ein einheitlicher Rassetyp heraus. Dies ist nicht etwa eifrigen Züchtern zu verdanken, sondern einem Unterhaltungskünstler. Jay Sisler aus Idaho trat auf Rodeos auf. Er hatte eine Hundenummer mit Australian Shepherds im Programm, die im ganzen Land große Begeisterung hervorrief und das Publikumsinteresse an diesen Hunden weckte. Er züchtete einige Würfe, und seine Rüden wurden während seiner Reisen von vielen Schafzüchtern für deren Hündinnen zur Zucht benutzt. Dank ihres Einflusses sahen sich die „Aussies” immer ähnlicher, so daß man von einer Rasse sprechen konnte. 1972 eröffneten zwei Zuchtvereine, der Australian Shepherd Club of America und die International Australian Shepherd Association ihre Zuchtbücher. Ende 1977 waren schon 6000 Hunde eingetragen! Beide Vereine veranstalteten Ausstellungen und Gehorsamsprüfungen, der ASCA auch Arbeitsprüfungen. 1976 wurde ein gemeinsamer Rassestandard erarbeitet, und 1980 schlossen sich die beiden Institutionenzusammen. Inzwischen sollen sich die Eintragungen um die 20.000 belaufen. Die Rasse gehört in der Tat mit zu den beliebtesten Familien- und Arbeitshunden in den Vereinigten Staaten. 

Australian Shepherd Welpen, 4 Monate von links: Blue merle, red tri, red white merle, black tri und blue merle
Australian Shepherd Welpen, 4 Monate von links: Blue merle, red tri, red white merle, black tri und blue merle

Nun kommt ein weiteres Paradoxum: Sie ist nicht vom American Kennel Club AKC anerkannt. Nicht, daß dieser die Rasse nicht billigte, oh nein! Die Aussieleute fürchten, daß eine offizielle Anerkennung und der Zugang zu den allgemeinen Ausstellungen die Zucht mehr in Richtung Schönheit lenkt und Leistungsfähigkeit vernachlässigt wird. Der Club führt zahlreiche Prüfungen durch, denn der Aussie ist ausgesprochen vielseitig zu verwenden. Er hütet Enten genauso zuverlässig wie Schafe, und beim Treiben von Pferden und selbst großen Rinderherden ist er unentbehrlich. Er eignet sich deshalb für den Vorstadt-Hobbybauern genauso wie für den professionellen Viehzüchter.

Wie kam dieser Hund nun nach Deutschland? 

So wie seine eigentliche Rassewerdung in den USA mit den Rodeos! In

Deutschland gibt es begeisterte Westernreiter die kleine Rodeos veranstalten und sich auf AppaIoosa und Quarter Horses, amerikanische Westernpferde, spezialisieren. Sie beziehen ihre Zuchttiere, Sättel und natürlich Inspiration aus den USA. Dort lernten sie auch die unvermeidlich bei den Pferden lebenden Aussies kennen und lieben. Dieser Hund eignet sich wie kein anderer für die Aufgaben, die der Hobbywesternreiter und Pferdezüchter schätzt. 

Reitbegleiter und Familienhund

Der Aussie ist ein unermüdlicher Begleiter der Reiter in freier Natur. Er braucht nicht angeleint zu werden, weil er dem Pferd dicht folgt, ohne ihm dabei in die Quere zu kommen. Der Reiter braucht nicht auf den Hund zu achten, er läuft mit. Dabei interessiert sich der Aussie nicht für Wild, andere Reiter, Radfahrer oder Spaziergänger mit Hunden. Auf den Rodeos bleibt er zuverlässig selbst unangeleint beim Wohnwagen oder Zelt, um es zu beschützen. Wehe dem, der sich an einem der wertvollen Sättel oder sonst etwas vergreifen möchte. Beherzt greift der Aussie jeden an, der seinem Hab und Gut zu nahekommt. Dabei ist er kein scharfer Hund, und ist sein Herr in der Nähe, ein ausgesprochen menschenfreundlicher Kamerad. Er hilft geschickt im Umgang mit Pferden, ohne sie nervös zu machen. 

In der Familie liebt er die Kinder, die er ebenfalls beschützt und liebevoll mit ihnen spielt. Dabei legt er viel Geduld an den Tag, wenn die Kleinen auch mal grob werden. Er ist leicht zu erziehen, weil er seinem Herrn treu ergeben ist. Kurz, er ist ein Hund, der immer zur Stelle ist, wenn er gebraucht wird, aber niemals lästig fällt. Sein Herr kann sich auf ihn zu jeder Zeit verlassen, ohne den Hund im Auge zu behalten und auf ihn achten zu müssen,

Offenbar haben die deutschen Westernreiter diese Eigenschaften bei hiesigen Hunden in dem Maße noch nicht gefunden, und da sie große Tierfreunde sind, gehört ein Hund einfach zur Menagerie. 

Hübsch und pflegeleicht

Der Aussie ist ein ausgesprochen hübscher, jedoch ungewöhnlicher Hund. Am auffälligsten ist wohl seine Stummelrute. Es kommen alle möglichen Rutenlängen vor von rutenlos über halblang bis normal lang, so daß sie standardgemäß kurz nach der Geburt gekürzt werden sollte. Es gibt ihn in vielen Farben, wobei die merlefarbenen Tiere vorherrschen. Nirgendwo üppig behaart, jedoch mit guter Unterwolle ausgestattet ist er ausgesprochen wetterbeständig und pflegeleicht. Rüden erreichen eine Schulterhöhe von 50 bis 57,5 cm, Hündinnen entsprechend weniger.

Gezüchtet wird der Australien Shepherd in Deutschland mehr oder weniger zum eigenen Bedarf und blieb bisher in den Reihen der Westernreiter. Sie lassen ihre Welpen beim amerikanischen Club eintragen, der die Ahnentafeln stellt. Ein Züchter versucht jetzt, die Hunde auch außerhalb dieses Kreises populär zu machen, weil sie wirklich angenehme Familienhunde sind, die allerdings viel Beschäftigung brauchen. Denn diese intelligenten und pflichtbewussten Tiere können nicht im Wohnzimmer verkümmern und mit ein paar Runden um den Block zufrieden sein.

Copyright: Eva-Maria Krämer

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


Wenn Du einen Kommentar abgibst, werden die eingegeben Daten und Deine IP-Adresse gespeichert. Die E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Weitere Informationen zur Datenspeicherung findest Du in meiner Datenschutzerklärung