Kynologische Rückblicke… Biewer Terrier

Biewer Terrier
Biewer Terrier

Diese Reportage aus dem Jahr 1986 ist mir so gegenwärtig, als wäre es gestern gewesen, als ich Familie Biewer besuchte, um mir einen persönlichen Eindruck von dem „Schandfleck“ der deutschen Yorkshire Terrierzucht zu machen. Da scherte doch ein ehrenwerter Züchter aus den festgefahrenen Schienen der Rassehundezucht aus und zog FEHLFARBENE Welpen auf, die eigentlich hätten getötet werden müssen. Mit dem Risiko, dass diese „Sünde“ ans Licht käme und der Züchter heftigst geahndet würde… Was nicht sein darf, kann auch nicht sein, und die meisten Züchter hätten solche Welpen irgendwie vor den Augen des Zuchtverbandes verschwinden lassen. Das hört sich jetzt alles sehr polemisch und übertrieben an, aber das war damals so. Tatsächlich drohte ich meinen guten Ruf in der Hundeszene zu verlieren, allein weil ich über diese Hunde berichtete. Das alles berührte Biewers nicht, und sie machten auch keinen Hehl aus ihren „Fehlfarben“. Das machte mich neugierig. Aber niemals hätte ich auch nur geahnt, dass daraus eine Rasse namens Biewer Terrier entstand, die in den USA und national in vielen Ländern anerkannt ist. Im Namen taucht Yorkshire nicht mehr auf und der US-Standard bezeichnet ihn als „Eigenständige Rasse“. Sicherlich wurde im Laufe der Jahre bis zur Anerkennung manch andere Rasse eingekreuzt, denn mit den wenigen „echten Bunten“ könnte die Rasse nicht existieren, außerdem wollte man schnell viele Welpen mit dem Scheckungsgen haben und nicht auf ein zufälliges Auftreten warten. Doch rein optisch sehen die Biewer Terrier aus wie gescheckte Yorkshire Terrier, und mit dem Namen Biewer bleibt die Erinnerung an ein passioniertes Züchterpaar wach. Ob Biewers mit der Entwicklung glücklich wären, weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht, ob sie den weltweiten Erfolg ihrer Schneeflöckchen erlebt haben. 

Der Besuch bei Biewers wird mir auch deshalb unvergesslich sein, weil alle Filme, die ich machte, während des Entwicklungsvorgangs verdorben wurden und mir Biewers für den Artikel ein paar ihrer eigenen Fotos zur Verfügung stellen mussten. Ich bedauere so sehr, dass ausgerechnet diese historischen Fotos nicht existieren. 

Biewer Terrier
Biewer Terrier

Reportage aus der HUNDEWELT Mai 1986 

Zu Besuch bei den deutschen Yorkshire Terriern à la Pom Pon

Mit gemischten Gefühlen reiste ich in den Hunsrück, um einen der erfolgreichsten deutschen Yorkshire Terrierzüchter zu besuchen, hatte ich doch gehört, dass dort eine große Schar Yorkies zu Hause sein sollte. Würde eine kleine Hundemeute über mich herfallen oder jedes Tier in seinem Käfig stecken? Nichts dergleichen! Kein Hundegebell begrüßte mich, kein Hundehaar auf dem Teppich, keine Spur von Hundegeruch in den gepflegten Räumen des am Waldrand einsam gelegenen Hauses. „Wo sind die Hunde?” war meine erste Frage. Herr Biewer lachte: „Die ganze obere Etage ist den Hunden vorbehalten.“ Wie viele sind es denn? „Oh, so um die 60.“ 60! Unvorstellbar. Inzwischen erregte ein großer Glasschrank voller Pokale und eine ganze Wand bestückt mit Urkunden und Fotos herrlicher Yorkshire Terrier meine Aufmerksamkeit. Wie viele Champions haben Sie denn gezüchtet? „Ach, die habe ich gar nicht gezählt, jedenfalls sind es acht Weltsieger. Die Urkunden für den Internationalen

Champion sind so groß, die haben wir gar nicht alle aufgehängt!“ Das war beeindruckend. Hinter dieser Bescheidenheit glaubte ich doch ein wenig Stolz herauszuhören. 

Wie kommt man zu 60 Hunden? 

Ende der 1960er Jahre starb Biewers geliebter Tibet Terrier, der als Findelkind zu ihnen gekommen war. In einer Zeitschrift stießen sie auf das Foto der Sängerin Topsi Küppers, die einen kleinen, wuscheligen Hund auf dem Arm hatte. War das ein Tibet Terrier? Herr Biewer schrieb einfach mal hin und bekam sogar Antwort. Dieser Hund sei ein Yorkshire Terrier — damals noch eine Rarität — und stamme aus der berühmten Zucht von Frau Marx in Wien. Es dauerte nicht lange und Biewers waren stolze Besitzer eines solchen Wiener Yorkies. Dieser kleine Wicht entzückte sie, und es war klar, dass er einen passenden Gefährten brauchte. Schließlich waren es vier Yorkshire Terrier, die in der Familie lebten. Herr Biewer war in der glücklichen Lage, sich zu seinem 50. Geburtstag aus dem Berufsleben zurückziehen zu können, was mit einer einjährigen Weltreise per Schiff gewürdigt werden sollte — mit Hunden natürlich. Doch alles musste abgeblasen werden, denn — die Liebe machte einen Strich durch die Rechnung! Larry hatte unbeabsichtigt seine Gefährtin gedeckt und nun stand Hundekindersegen ins Haus. Das war natürlich wichtiger als die Weltreise. Heute sagt er, welch ein Glück, denn seine Frau erwies sich bei der kurzen Überfahrt nach England schon als ausgesprochen seeuntüchtig — die Weltreise wäre ein Fiasco geworden!

Was sich aber aus der ungewollten Verbindung entwickeln sollte, ahnten damals die beiden Hundenarren noch nicht, denn sie rechneten nicht damit, wie süß kleine Yorkiewelpen sind. Es war selbstverständlich, dass die entzückenden Hundekinder zu Hause blieben! Als sich ein zweiter Wurf ankündigte, blieben auch diese Hundekinder bei Biewers. So war in kurzer Zeit eine fröhliche Rasselbande bei Biewers zu Hause, aber kein Problem, denn inzwischen hatte man das Haus im Hunsrück bezogen, ganz hundegerecht eingerichtet, wie ich noch feststellen sollte.

Biewer Terrier
Biewer Terrier

Erfolgreich auf Ausstellungen

Voller Begeisterung über ihre Hunde besuchten Biewers auch Ausstellungen. Gleich der erste Wurf brachte Siegertiere hervor, und nun war der Ehrgeiz geweckt. Ganz Europa haben die beiden mit ihren Zwergen bereist und viele Preise und Siegertitel eingeheimst. Biewers sind besonders stolz darauf, dass all ihre Hunde auf ihre Stammtiere zurückgehen.

Wenn man so viel erreicht hat, verliert die Sache allmählich ihren Reiz. Biewers fahren nur noch selten auf Hundeausstellungen. Hinzu kommt, dass sie ein ganz besonderes Ereignis beschäftigt. 1982 warf erstmalig eine ihrer Hündinnen nach ihrem eigenen Rüden einen weißgefleckten Welpen. 

Ein schicksalhaftes Ereignis

Was war das? Seit Generationen eigene Yorkshire Terrierzucht und keinerlei Möglichkeit, dass die Hündin fremdgegangen sein könnte. Das weißbunte Tierchen faszinierte die beiden und blieb natürlich zu Hause. Auch mit anderen Hündinnen brachte der Rüde Darling weißgefleckte Welpen. Diese Hündchen waren erwachsen ausgesprochen hübsch und typische Yorkies mit allen erwünschten Rassekennzeichen. Biewers befassten sich ausführlich mit diesem Ereignis, aber niemand hatte so etwas je erlebt. War es eine Mutation oder ein Rückschlag hin zum Ursprung der Rasse, als man zu Beginn der Rassehundezucht die kleinen Terrier durch Kreuzungen mit anderen Rassen schuf? Diese Frage wird niemand beantworten können. Biewers jedoch sind so fasziniert von ihren kleinen Schneekindern, dass sie sich vorgenommen haben, die Zucht zu betreiben und offizielle Anerkennung für den Deutschen Yorkshire Terrier à la Pom Pon zu erringen. Den Namen prägte die Sängerin Margot Eskens, glückliche Besitzer eines weißen Rüden. Nun platzte ich beinahe vor Neugier — ich kannte zwar die Biewer‘sche Geschichte, aber noch hatte ich keinen einzigen Hund gesehen!

Biewer Terrier
Biewer Terrier Foto: Eva-Maria Krämer

Ein Haus für Hunde

Doch den Anblick, den die obere Etage bot, werde ich so schnell nicht vergessen. Im Geburtszimmer stehen von unten beheizte Körbchen, in denen die Mütter ihre Welpen bekommen und in den ersten drei Wochen pflegen. Von Rotlichtlampen hält Herr Biewer nichts. Die Körbe sind gut gepolstert, von unten her muss Wärme sein. Lampen verursachen zu trockene Luft und bringen den Welpen in dem auf 24 o C beheizten Raum keinen Nutzen. Gleich nebenan ist die Wohnküche. Hier schlafen Hunde. Die Biewers haben lange überlegt, wie sie das Problem lösen sollten, denn die Tiere sollten jeder für sich schlafen, da man nachts keine Kontrolle über sie hatte. Also wurden vom Schreiner große Schränke mit Drahtgeflechttüren konstruiert, und jeder Hund hat eine Etage mit Bett und Zeitung, sollte er nachts einmal „müssen”. Der nächste Raum — ein großes Wohnschlafzimmer, in dem sich die Biewers ganz offensichtlich in ihrer Freizeit aufhalten, beherbergt die Kinderstube. In richtigen Kinderbettchen leben die drei bis fünf Wochen alten Welpen, daneben die Ausläufe mit kleinen Hüttchen für die älteren Welpen, die mehr Raum zum Spielen und Toben beanspruchen. Das Ganze blitzt vor Sauberkeit und liebevoller Pflege. Wer möchte hier nicht Hund sein? Und nun kam der große Augenblick! Die Meute wurde von der überdachten Terrasse ins Zimmer gelassen. Unzählige Yorkshire Terrier ergossen sich in den Raum. Die Aufregung über die Besucher war groß, und es dauerte eine Weile bis sie sich gelegt hatte. Jeder Yorkie hatte ein rotes Schleifchen im Haar, jeder hörte auf seinen Namen und hatte ganz offensichtlich ein gutes Verhältnis zu seinen Leuten. Käfighunde waren dies gewiss nicht. Auch waren nur ganz wenige „gewickelte” Hunde dabei, und alle waren so gut gepflegt, dass man sie hätte auf der Stelle auf einer Ausstellung zeigen können.

Jung und Alt tummelten sich hier, denn die Alten bleiben im Hause. Erst im letzten Jahr starben 14- und 16jährig die ersten Yorkies. Kein Wunder, das sich im Laufe der Zeit eine solche Meute angesammelt hat. Alle Hunde vertragen sich bestens, Herr Biewer meint, wahrscheinlich sei er der Oberhund und die Hunde stritten nicht untereinander. Wir erfuhren, dass es sich bei den „gewickelten” um Rüden handelte, die sich beim Urinieren leicht das bodenlange Haar beschmutzen. Ja, das Haar dieser Hunde ist lang, aber sie schleifen es nicht auf dem Boden, denn die Yorkies der Biewers haben viel Bewegung und Auslauf, so dass sich die unnatürlich langen Haare, die vom Ausstellungshund verlangt werden, abnutzen. Ausstellungsstars müssen bei vielen Züchtern mit gewickelten Haaren in Käfigen hocken, damit nur ja nichts an die Pracht herankommt. Biewers hat das nie gefallen, aber als sie noch ausstellten, wurden jeweils die Schauhunde gewickelt, in Käfigen brauchten sie nie zu leben. (Wickeln – das lange Haar wird geölt und in Seidenpapier gewickelt).  

Weihnachtsgruß in der Dezemberausgabe der HUNDEWELT 1987
Weihnachtsgruß in der Dezemberausgabe der HUNDEWELT 1987

Die Schneeflöckchen

Natürlich waren es die weißbunten Tierchen, die sofort ins Auge fielen. Ich fand sie weitaus hübscher als ihre „normalen” Artgenossen und kann Biewers nur viel Glück bei der Weiterzucht wünschen. Wer zu Biewers kommt und die Hunde sieht, möchte nur noch so einen. „Deshalb zeige ich sie schon gar nicht mehr”, sagt Frau Biewer. 14 weißbunte Welpen sind bisher gefallen, leider in der Mehrzahl Rüden. Davon wurden einige an wirklich gute Bekannte abgegeben. Die Hündinnen und einige Rüden zur Weiterzucht bleiben zu Hause. Horrende Preise wurden bisher für diese Welpen geboten, aber Biewers bleiben hart. Sie wollen auch nicht, dass hier ein neuer Modehund vermarktet wird.

Natürliche Haltung und Ernährung

Biewers Yorkies sind gesunde und natürliche Hunde. Sie haben viel Auslauf und Bewegung an der frischen Luft. Damit das Rückgrat der kleinen Kerlchen keinen Schaden nimmt, hat man Rampen vom Obergeschoß in den Garten bauen lassen. So rast die ganze Schar wie ein Sturmwind von der Terrasse auf die Wiese, wo alle nach Herzenslust toben können. Auch in der Fütterung hält sich Herr Biewer an die Natur. Er füttert frisches Rindfleisch, Kopffleisch, mit einem Flockenfutter, das alle Vitamine und Mineralien enthält. Kann man die Körpergröße der Yorkies durch Ernährung beeinflussen? Biewers meinen nein. Gut gefütterte Welpen sind zwar als kleine Welpen größer und kräftiger, die Endgröße ist aber die gleiche. Mit sechs Monaten haben die Hunde ihre volle Schulterhöhe erreicht. Natürlich darf man bei den kleinen Tierchen Vitamine und Kalzium nur sehr vorsichtig geben, denn Überdosierungen schaden und können das Knochenwachstum künstlich vorantreiben, so dass der Yorkie ernsthafte Gesundheitsschäden davonträgt. Biewers züchten mit relativ kleinen Hunden, sowohl Rüden als auch Hündinnen. So um die vier bis sechs Pfund sollte ein Zuchttier haben, nicht mehr und auch nicht weniger. Selbst wenn hie und da einmal ein Hund zu groß oder zu klein wird, die Mehrzahl der Hunde hat die Idealgröße, weil sie erblich gefestigt ist. Biewers halten nichts davon, mit sehr kleinen Rüden und relativ großen Hündinnen zu züchten. So bekommt man zwar mehr Welpen pro Hündin, und der, der nach dem kleinen Vater schlägt, bleibt zur Ausstellung beim Züchter. Es ist für denjenigen, der hauptsächlich für den Verkauf züchtet, sicherlich lohnender als die Biewer‘sche Methode. 

Ich weiß, dass die Haltung vieler Hunde bei vielen Menschen auf Kritik stößt. Es kommt aber immer darauf an, wie! Hier leben alle Hunde in der Familie, werden sorgsam gehegt und gepflegt. Solche Sorgfalt habe ich selten bei Züchtern gesehen, die nur wenige Zuchttiere haben. Hier haben sich zwei Menschen ein Hobby aufgebaut, dem ganz sicher die Liebe zum Hund zugrunde liegt und die ihr ganzes Leben diesen kleinen Kobolden verschrieben haben.

Info

Das Scheckungsgen

Das Scheckungsgen wird rezessiv vererbt, es kann über Generationen versteckt weitergegeben werden und mit dem passenden Partner, der ebenfalls Träger des Piebald-Gens ist, völlig unerwartet weiß gescheckte Welpen hervorbringen. Es muss also kein „Unfall“ sein, der zu solchen Welpen führt. Man weiß auch nie, wie viele Welpen tatsächlich geboren, aber verschwiegen wurden. Bewusst pflegte außer Biewers zunächst niemand das Scheckungsgen in der Rasse.

Copyright: Eva-Maria Krämer

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